Rezension

"Das Land ist still"

GRAUES LAND - Michael Dissieux

GRAUES LAND
von Michael Dissieux

Bewertet mit 3 Sternen

Harvey ist ein alter Mann von fast siebzig Jahren als die Welt zugrunde geht. Der Zeitungsjunge kommt nicht mehr zu dem abgelegenen Haus in den Hügeln Devons, der Fernseher bleibt stumm und des Nachts schleichen seltsame Kreaturen um das Haus. Das Land ist seltsam grau und düster, es gibt keine Verbindung mehr zur Außenwelt.

Als Harvey, der sich um seine bettlägerige Frau Sarah kümmert, die Vorräte ausgehen, beschließt er, sich nach Draußen zu wagen, um seinem alten Freund Murphy, der einen kleinen Laden betreibt, einen Besuch abzustatten. Doch dort erwartet ihn eine grauenvolle Entdeckung und Harvey muss erkennen, dass die Welt nur noch Stille und Dunkelheit für ihn bereithält.

Leseeindruck

Mit dem ersten Band "Graues Land" startet Michael Dissieux eine düstere Trilogie (Band 2: Die Schreie der Toten / Band 3: Am Ende der Welt), die sich - zumindest im ersten Band - doch stark von anderen Endzeitromanen unterscheidet. Der Unterschied liegt in der ruhigen und melancholischen Art des Erzählens. Der Leser begleitet den alten Harv, erfährt aus der Ich-Perspektive peu à peu was ihn bewegt, ängstigt, aufwühlt und verzweifeln lässt. Es passiert nicht viel in diesem Horror-Roman, zumindest nicht, wenn man rasante Action und blutige Szenarien erwartet. Dissieux setzt stattdessen auf ausführliche Beschreibungen des Gefühlslebens seines Protagonisten, die inneren Konflikte, die er austrägt; seine Erinnerungen an Vergangenes und seine düsteren Gedanken rund um eine Welt, die sich weitergedreht hat.
"Die Welt hat sich weitergedreht." - Der Autor greift Stephen Kings Zitat aus seiner monumentalen "Der Dunkle Turm"-Saga gern auf. Er tut dies nicht nur gern, sondern auch oft und überspannt den Bogen damit leider ein wenig. Natürlich ist diese Redewendung passend, die Liebe des Autors zu diesem Werk unverkennbar. Das Zitat unterstreicht die Aussage des Romans, doch hier wäre weniger wohl mehr gewesen.

Generell verliert sich Dissieux bedauerlicherweise zu oft in den zähen und langwierigen Gedankengängen seiner Figur, die das flüssige Lesen erschweren. Der Schreibstil selbst ist nicht schlecht, wenngleich insgesamt vielleicht ein wenig zu gewollt lyrisch. Im Mittelteil leidet die Geschichte dann unter den so entstandenen Längen, Dissieux kann aber im letzten Drittel doch noch das Ruder herumreißen und die Spannungskurve wieder anheben. Er führt weitere Figuren ein, deren Interaktion Schwung in die Geschichte bringt und indem er das Handlungsgeschehen an andere Orte verlegt, schafft er zusätzlichen Raum für Abwechslung von der Lethargie, die mittlerweile nicht nur Harvey, sondern auch mich als Leser ergriffen hat.

Die Figuren sind definitiv eine Stärke des Romans, was wohl in der ausführlichen Auseinandersetzung mit ihrem Seelenleben begründet liegt. Mir gefielen auch die Teile der Erinnerung an Vergangenes sehr gut, da man hier etwas über Harveys Liebe zu Sarah erfährt, ihre gemeinsamen Rituale und Routinen. Gefühlvolle und romantische Momente in dieser sonst so schwermütigen und unheilvollen Geschichte.

Was mit der Welt geschehen ist, erfährt der Leser Stück für Stück im Laufe der Geschichte. Auch die unheimlichen Wesen, die um das Haus schleichen und die Toten verschleppen, bringen Gänsehaut und ein angenehmes Horrorgefühl mit sich. Generell schafft der Autor durchaus Spannung, wenn auch oft unterschwellig, es ,angelt lediglich an der Konstanz. Insgesamt bleiben aber neben einem vertretbaren Cliffhanger noch genug Fragen offen, um meine Neugierde auf die Folgebände aufrecht zu erhalten.

Letztlich weist dieser Auftakt einige interessante und unterhaltsame Aspekte auf, die aber leider durch die erwähnten Schwächen nicht genug zur Geltung kommen. Ich persönlich werde die Serie wohl zu gegebener Zeit weiterverfolgen, brauche aber zunächst etwas Pause von der Schwere und Düsternis des Grauen Landes.

Fazit

Ein düsterer und melancholischer Horror-Roman, mit Schwerpunkt auf ausführlichen Beschreibungen des Seelenlebens seiner Figuren, wodurch sich leider einige Längen aufbauen. Insgesamt betrachtet etwas schwerfällig und langatmig, deshalb nur eingeschränkt empfehlenswert.