Rezension

Das Schicksal einer Familie

Die Postkarte -

Die Postkarte
von Anne Berest

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:
Die Autorin, Anne Berest, arbeitet die Geschichte ihrer Familie auf. Die Auslöser sind ihre Schwangerschaft und eine Postkarte, auf der vier Namen von Familienmitgliedern stehen, die in Ausschwitz ermordet worden sind. Die Autorin versucht herauszufinden, wer diese Postkarte an ihre Mutter geschickt hat und warum.

Meine Meinung:
Es fällt mir schwer, dieses Hörbuch zu bewerten und die richtigen Worte zu finden. Kurz gesagt: Das Buch ist unsagbar wichtig und dir Arbeit der Autorin beeindruckend. Insofern kann ich es nur weiterempfehlen. Allerdings geht es auch sehr nahe, die Gräueltaten sind bekanntermaßen unbeschreiblich und man ist sehr nahe an den Menschen dran. Als Leser sollte man sich vorher im Klaren sein, dass das wahrscheinlich nicht für jeden erträglich ist. Ich hoffe, ich kann dabei helfen, das einzuschätzen, wenn ich näher auf den Aufbau des Hörbuchs eingehe.

Ich habe recht lange gebraucht, um in das Hörbuch reinzukommen. Ich denke, der Grund dafür ist, dass ich zwar in der Schule sehr viel über die Zeit nach dem ersten bis Ende des zweiten Weltkriegs gelernt habe, aber immer nur mit dem Fokus auf Deutschland. Ich wusste nicht wirklich viel über andere Staaten und ich wusste gar nichts darüber, wie das Leben insbesondere für Juden und Jüdinnen zu dieser Zeit außerhalb Deutschlands war. Daher war ich mit den vielen ausländischen Namen, den verschiedenen Staaten und der kurz angerissenen Lebenssituationen etwas überfordert und habe den Überblick verloren. Das wäre mir sicherlich einfacher gefallen, wenn ich das Buch gelesen und nicht gehört hätte. Dann hätte ich hin und her blättern und einfacher schnell etwas googeln können.

Diese Probleme hatte ich jedoch nicht mehr, als die Urgroßeltern der Autorin in Frankreich angekommen sind und erzählt wird, wie sie sich dort ihr Leben aufbauen. Nach und nach nimmt der Antisemitismus zu. Ab dem Moment wurde das Buch für mich immer schwerer zu hören. Natürlich wusste ich, worauf ich mich eingelassen habe. Das ist keine Kritik! Ganz im Gegenteil. Das Buch ist wichtig, gerade weil es so unerträglich und dennoch passiert ist. Es ist wichtig zu verstehen, wie aus einzelnen Aussagen mit dem O-Ton "Das wird man jawohl noch sagen dürfen." die Verfolgung und Deportation von Menschen werden konnte. Wie Nachbarn das ausgenutzt haben oder gar zufrieden waren.

Der Fokus liegt nicht wie bei vielen anderen Berichten Überlebender oder auch vielen Geschichtsbüchern auf den Vernichtungslagern. Das ist leider auch nicht möglich, weil alle nach Ausschwitz deportierten Familienmitglieder dort ermordet worden sind. Stattdessen berichtet die Autorin sehr lange, was Epharim, Emma, Noemie und Jacques für Menschen waren, was sie für Träume und Wünsche hatten, wie ihr Leben war. Man erahnt, was für ein Leben sie vielleicht einmal gehabt hätten, wenn sie nicht in Ausschwitz ermordet worden wären.

Die zweite Hälfte des Hörbuchs ist eine starke Mischung. Die Autorin setzt sich mit ihrer eigenen Identität als gebürtige Jüdin ein und mit ihrer Verbindung zu ihren Vorfahren auseinander. Sie sucht Wege mit dem aktuellen Antisemitismus umzugehen. Sie recherchiert und erfährt, wie das Leben ihrer Großmutter weiterging, nachdem deren Familie ermordet worden war. Sie lernt Menschen kennen, die ihre Großmutter gekannt hatten und sieht, was aus dem Besitz ihrer ermordeten Vorfahren geworden ist. Sie beschreibt auch unabhängig von ihrer Familiengeschichte, wie Menschen aus Konzentrationslagern nach Ende des zweiten Weltkriegs nach Deutschland heimgekehrt sind. Das sind Berichte die für mich neu waren und mich auch nochmal sehr betroffen gemacht haben.

Insgesamt:
Es ist ein wirklich gutes, vielschichtiges Buch, dass zur Bildung über diese furchtbaren Ereignisse beiträgt.