Rezension

Das Schiff Jolande

Das Meer in meinem Zimmer - Jana Scheerer

Das Meer in meinem Zimmer
von Jana Scheerer

Das Meer in meinem Zimmer - Jana Scheerer 

 Der Beginn dieses Romans lässt als Thema etwas in der Richtung "Trauerbewältigung" vermuten. Jolandas Vater Pax ist gerade verstorben, die verbleibenden Familienmitglieder stehen unter Schock. Die Mutter verleugnet den Tod und verweigert sich der Wahrheit. Die Verantwortung überlässt sie kommentarlos ihrer älteren Tochter.

 Sehr schnell allerdings schwant dem Leser: etwas stimmt hier ganz und gar nicht. Das Verhalten von Jolanda, der kleinen Schwester Lilli und Mutter Constanze ist nicht mehr normal. Diese Familie ist zerrüttet und kaputt und damit hat der Tod des Vaters nicht allzu viel zu tun. 

In Rückblenden führt uns Frau Scheerer ein in ein verstörendes, toxisches Familienleben. Sie erzählt von Jolandas schwieriger Kindheit, von Pax‘ Nordseepension, die nie ein Gast bezog und von seiner besessenen Suche nach einem versunkenen Schiffswrack. Vor allem aber erzählt sie, was eine psychische Erkrankung mit einer Familie, mit Kindern macht, wenn niemand in der Lage ist, sie zu schützen.

Es ist tatsächlich starker Tobak, der sich da herauskristallisiert. Die recht einfache, direkte Sprache, die die Autorin für ihre Geschichte findet, verstärkt die Intensität noch. Viele Gedanken, Gefühle muss sie gar nicht ausformulieren. Alles steckt bereits in der Art und Weise wie sie einzelne Worte einsetzt. Ein frischer, atemloser, jugendlicher Ton. Ich finde es insgesamt sehr gut, besonders geschrieben, die Figuren sehr gut beobachtet und detailliert beschrieben.

 Dieser Roman ist trotz allem schnell gelesen, man fliegt förmlich durch die Seiten. Die Geschichte ist zwar atmosphärisch dicht geschrieben, dennoch finde ich, hätte man den ein oder anderen Handlungsstrang noch zu Ende führen können.

Einen Kritikpunkt sehe ich noch im Erzählstrang der Gegenwart. Hier wird manches sehr stark überspitzt dargestellt. Das hätte diese Geschichte meiner Meinung nach nicht nötig gehabt.

 Insgesamt eine großartige Leseerfahrung. Besonders die sprachlichen Eigenheiten, die ich oben schon erwähnte, könnten diesen Roman zu einem Anwärter auf den Deutschen Buchpreis machen, wie ich finde…  

 4 Sterne