Rezension

Das vorliegende Spiel um Illusion, Wahn und Täuschung ist unterhaltsam zu lesen, ein fesselnder Krimi ist es leider nicht.

Die Zeitungsfrau
von Veit Heinichen

Bewertet mit 3 Sternen

Veit Heinichen, Die Zeitungsfrau, Piper 2016, ISBN 978-3-492-05758-5

 

Wohl in keiner anderen Region des nach 1989 zusammenwachsenden Europas kann man die aufeinanderprallenden Gegensätze zwischen den ehedem westlichen und den osteuropäischen, ehemals staatssozialistischen Staaten und die daraus entstehenden neuen Konflikte und Widersprüche besser spüren und beobachten als in Triest, der Heimat der mittlerweile auch einem großen deutschsprachigen Fernsehpublikum bekannt gewordenen Commissarios Proteo Laurenti.

 

Sein Schöpfer Veit Heinichen hat ihn in den Jahren seit seinem  ersten  Buch 2001 mit dem vorliegenden in insgesamt neun Bänden an Kriminalfällen arbeiten lassen, die alle in diesem historisch bewegten Spannungsfeld angesiedelt waren. Oft waren Heinichens Bücher regelrecht lehrreich, denn er hat seine aktuellen Fälle immer wieder eingebettet in aktuelle politische Zusammenhänge und verbunden mit vielen aufschlussreichen Hintergrundinformationen über deren historische Entstehung in einer Gegend Europas, die auch schon in früheren Zeiten bestimmt war von der Vielfalt von verschiedenen Völkern, Sprachen und Kulturen.

 

In seinem neuen Fall nach dem Wechsel des Autors von Zsolnay zu Piper hat mir das, obwohl es durchaus aktuelle politische Bezüge gibt, wie schon beim letzten Band ein wenig gefehlt.

 

In seinem neuen Fall für Proteo Laurenti spannt Veit Heinichen den Bogen über ein Viertel Jahrhundert. 1991, der Commissario war noch ein junger Beamter, hatte er zu tun mit eine Diego Colombo, einen italienisch-stämmigen Argentinier, der um dem Falklandkrieg zu entgehen, in einer spektakulären Aktion, bei dem ihm die Engländer behilflich waren, auf einen Segelboot mit Zwischenstationen in Brasilien bis in den Hafen von Triest segelte, wo seine Familie herstammte.

 

In der Folge mausert er sich zu einem gewieften Kunsträuber, dem niemals einer auf die Spur kommen kann und der mit einem Maresciallo La Rosa krumme Geschäfte macht. 1991 kommt er bei einer Explosion im Hafen von Triest ums Leben, doch weder wird seine Yacht Esperanza, die verschwunden ist gefunden, noch irgendwelche sterblichen Überreste von ihm. Auch dass seine Frau Teresa Fonda nach seinem Tod noch zwei Kinder bekommt, die ihm wie aus Gesicht geschnitten sehen, nährt Zweifel, doch man kann ihr , die als Zeitungsfrau einen Kiosk betreibt, in dem auch Laurenti täglicher Gast ist, nichts nachweisen.

 

Als jedoch ein großer Raubzug im Freihafen von Porto Vecchio, bei dem wertvolle Bilder bestohlen werden, ganz deutlich Colombos Handschrift trägt, beginnt Laurenti neu zu ermitteln. Eine wichtige Rolle spielen dabei der mittlerweile pensionierte Maresciallo La Rosa, seine zwielichtige Tochter, die private Altenheime betreibt, in denen unsägliche Zustände herrschen.

 

De Leser wird bis zum Ende im Unklaren gelassen, ob dieser sagenhafte Diego Colombo tatsächlich noch am Leben ist (vgl. die verschwundene Yacht und die zwei weiteren Kinder), oder ob es eine ganz andere Lösung des neuerlichen Kunstraubs gibt. Das erzeugt eine wohltuende Spannung, aber ich jedenfalls hatte weite Teile des Buches über den Eindruck, dass mit seinem Commissario Laurenti auch sein Schöpfer ein wenig in die Jahre gekommen ist. Die früheren Bücher hatten mehr Pep, und mehr kritischen Gehalt.

 

Das vorliegende Spiel um Illusion, Wahn und Täuschung ist unterhaltsam zu lesen, ein fesselnder Krimi ist es leider nicht.