Rezension

Der andere Tod

Der andere Tod - Anja Jonuleit

Der andere Tod
von Anja Jonuleit

Bewertet mit 3 Sternen

"Der andere Tod" umfasst 336 Seiten und gliedert sich in mehrere Kapitel, die zum bequemeren Lesen und zum Spannungsaufbau in Abschnitte unterteilt sind. Als Überschrift tragen die Kapitel interessante Titel, die jeweils im Zusammenhang mit den Geschehnissen der einzelnen Kapitel stehen. Manche Kapitel werden durch Gedichtzeilen eingeleitet.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht des Ich-Erzählers Max Winther. Dieser erzählt größtenteils in der Vergangenheitsform, denn er hält eine Art Rückschau auf sein früheres Leben, das durch die im Klappentext beschriebenen Ereignisse beherrscht wurde. Stellenweise finden sich aber auch Einschübe wie "heute weiß ich, ..." oder "erst viel später sollte ich erkennen, ...". Dadurch wird deutlich, dass die im Buch beschriebenen Ereignisse bereits hinter dem Protagonisten liegen und er sich nun für den Leser noch einmal rückschauend daran erinnert.

Handlungsort des Buches ist Bregenz in Österreich. Das Buch spielt stellenweise aber auch in Deutschland und der Schweiz.

Abgerundet wird das Buch durch eine Danksagung der Autorin sowie ein Quellenverzeichnis der verwendeten Gedichtzeilen.

Das Cover ist übrigens nicht nur sehr auffällig und mysteriös gestaltet, sondern passt darüber hinaus auch super zum Inhalt des Buches. Mehr wird dazu an dieser Stelle aber nicht verraten. ;-)

Meine Meinung zum Buch:
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Mit "Der andere Tod" begibt sich der Leser zusammen mit dem männlichen Hauptcharakter Max Winther auf eine Spurensuche in die Vergangenheit. Das Leben von Winther hat sich nach einem schrecklichen Unfall entscheidend verändert, denn er kann sich nicht mehr an sein Leben vor dem Unfall erinnern. Statt dessen ist er auf die Hilfe seiner Frau angewiesen, die ihm Stück für Stück sein früheres Leben in Erinnerung ruft. Dabei helfen Fotoalben, Anekdoten, das erneute Aufsuchen gemeinsam erkundeter Orte. Manchmal gelingt es Winther, eine Erinnerung zu fassen, doch vieles bleibt im Dunkeln verborgen.

Wären da nicht diese Bilder, die Max Winther plötzlich überfallen und Erinnerungen mit sich bringen, für die er keine Erklärung hat. Bruchstückhaft und wie die Teile eines Puzzles erhält Winther Einblicke in sein früheres Leben, doch kann er damit nicht viel anfangen. Und plötzlich ist auch seine Frau dabei keine große Hilfe mehr. Im Gegenteil: Sie verhält sich plötzlich sehr merkwürdig. Und auch das Verhalten gemeinsamer Freunde gibt Max Rätsel auf. Schließlich macht er eine Entdeckung, die ihn dazu bringt, die Unfallgeschehnisse neu aufzuarbeiten. Und dabei lernt er nicht nur sich selbst neu kennen, sondern vor allem seine Frau.

Da das Buch aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, weiß der Leser praktisch genau so viel wie der Protagonist Winther. Hier heißt es: Geduldig sein. Denn nur mühsam erfährt der Leser Neues und ist dabei stets von den Nachforschungen durch Max abhängig.

Geübten Krimi- und Thrillerlesern könnte es unter Umständen recht leicht fallen, auf die Auflösung des Buches zu kommen. Zwar bemüht sich die Autorin darum, den Leser recht lange im Dunkeln zu halten, doch finden sich einige gut versteckte Andeutungen, die auf des Rätsels Lösung schließen lassen.

Die Auflösung erscheint durchaus plausibel und nachvollziehbar, allerdings hatte ich mir wesentlich mehr erhofft. Die Autorin strickt mühsam ein Netz aus Geheimnissen, Lügen, Rätseln und Ungereimtheiten. Und mit wenigen Worten bringt sie dieses Netz letztlich zu Fall. Hier fehlte es an Ausführlichkeit und insbesondere die Bedeutung einzelner Handlungsstränge wird am Ende zu wenig erklärt. Dadurch erscheinen sie überflüssig und bedeutungslos.

Max Winther ist ein Charakter, mit dem der Leser durchaus mitfühlt, der aber kein großer Sympathieträger ist. Dafür bleibt er doch zu blass, auch wenn er als Ich-Erzähler viel von sich und seinen Gedanken preisgibt. Auch alle anderen Charaktere werden nicht ausführlich genug beschrieben, um für sie Partei zu ergreifen oder im Gegenteil Abneigung ihnen gegenüber zu verspüren.

Vereinzelt wird die Handlung durch zu konstruiert wirkende Dialoge vorangetrieben. Diese erschienen oft zu gestellt und sollten stellenweise tatsächlich allein dazu zu dienen, der Handlung eine neue Richtung zu verleihen.

Der Schreibstil der Autorin wirkt vor allem in den ersten Kapiteln sehr poetisch. Dies nimmt aber im Verlauf des Buches ab und macht statt dessen mehr Handlung und vor allem mehr Dialogen Platz. Diese fehlen in den ersten Kapiteln völlig, die Autorin beschränkt sich hier mehr auf indirekte Rede.

Das Buch wird vom Verlag als Roman eingeordnet und es ist tatsächlich auch kein Krimi oder Thriller. Dazu fehlt eindeutig die Spannung. Diese ist zwar in Form von mysteriösen Anrufen, verdächtigen Personen und vor allem den blitzlichtartigen Erinnerungen, die Max Winther ständig überfallen, durchaus vorhanden. Doch zwischendurch gibt es lange Szenen, in denen die Handlung kaum vorangetrieben wird, der Leser vielmehr allein den Gedanken des Protagonisten lauscht.

Mit ihrem Buch "Der andere Tod" geht Anja Jonuleit der Frage auf den Grund, welchen Platz und welche Bedeutung Erinnerungen im Leben der Menschen einnehmen. Ist der Mensch auf Kenntnisse über seine Vergangenheit angewiesen oder ist er in der Lage ein Leben zu führen, das allein von täglichen Ereignissen bestimmt wird? Oder wird der Charakter eines Menschen auch und gerade durch Erinnerungen an seine Vergangenheit geprägt? Antworten auf diese Fragen sind in Jonuleits neuestem Werk nicht ausdrücklich nachzulesen, ergeben sich aber zwischen den Zeilen und können von Leser zu Leser durchaus unterschiedlich ausfallen.

Mein Fazit:
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"Der andere Tod" ist ein solider Roman, der einer interessanten Fragestellung nachgeht und durchaus spannende Szenen enthält.