Rezension

Der Einzug der Impressionisten in Berlin

Tschudi - Mariam Kühsel-Hussaini

Tschudi
von Mariam Kühsel-Hussaini

In ihrem Roman versammelt Miriam Kühsel-Hussaini allerlei Künstler und Kunsthintergrundwissen um den Direktor der Deutschen Nationalgalerie Berlin in den Jahren um 1900. Die Erzählung setzt kurz nach dem Amtsantritt des schweizerischen Adligen in Berlin ein und endet mit dessen Tod. So erfährt die Leserin viel über die Kontroversen in Deutschland um die Jahrhundertwende bezogen auf die damals sehr modernen aber auch ungewohnten impressionistischen Bilder der - vor allem - Franzosen. Bilder von Franzosen in der Deutschen Nationalgalerie passten nicht jedem und so ist dieser Konflikt über das gesamte Buch hinweg Thema.

Leider bleibt der Charakter des Hugo von Tschudi, Namensgeber des Romans, sehr blass im vergleich zu den farbenfrohen Beschreibungen der Kunst und Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Dieser von Tschudi scheint sich im gesamten Buch ausschließlich durch die Adjektive wolfskrank (bezogen auf die Lupus-Erkrankung des Museumsdirektors), körperlich groß gewachsen und schwarzäugig auszuzeichnen. Diese Beschreibungen tauchen bis zum Schluss immer und immer wieder auf. Eine psychologische Tiefe entwickelt die Figur leider gar nicht. Zu viel beschäftigt sich die Autorin mit den Zeitgenossen von Tschudis. In einem Regenguss an name dropping wird hier so ziemlich jeder aktive Künstler in Deutschland und Frankreich der Zeit genannt und bekommt mitunter ein eigenes Kapitel. Besonders Kaiser Wilhelm II., welcher im ständigen-widerständigen Dialog mit von Tschudi gestanden haben muss (andere Staatsgeschäfte scheinen, wenn man das Buch liest, nebensächlich gewesen zu sein), wird sehr stark in seinen seelischen Widersprüchen und scheinbar auch Verletzlichkeit, für die er ebenso kritisiert wurde, gezeichnet. Warum von Tschudi im Buch diese Ehre nicht zu Teil wurde, bleibt offen. So ist das Buch zwar ein durchaus interessantes, wenngleich aber ein wenig mitreißendes. Sprachlich will die Autorin vor allem im ersten Teil des Buches sehr viel, vielleicht sogar zu viel. Teilweise auch prätentiös.

Nachdem ich ein komplettes Buch über diesen Menschen gelesen habe, möchte ich nun einmal wirklich etwas zu von Tschudi erfahren und muss mich wohl erst einmal auf die bekannte Seite zurückziehen, die mit Wiki anfängt. Schade, denn eigentlich erhoffe ich mir durch ein Buch auch einen Wissenszuwachs sowohl bezogen auf das soziale Umfeld und die Zeit der Person aber auch bezogen auf die Persönlichkeit. Dies fehlt hier fast vollständig. Merke: Tschudi = wolfskrank + groß + schwarzäugig.