Rezension

Der Heimatplanet, die Gier und der Wert des Einzelnen

Wo Milch und Honig fließen -

Wo Milch und Honig fließen
von C. Pam Zhang

Bewertet mit 5 Sternen

C Pam Zhangs namenlose Icherzählerin kann ihrem Beruf als Köchin kaum noch nachgehen, nachdem  in der Region Los Angeles eine dichte Smogwolke endgültig das Wachsen von Tieren und Pflanzen verhindert.  Alle Mahlzeiten müssen aus einem Mungbohnen-Soja-Algenmehl produziert werden. Die Lebenserwartung ist rasant gesunken, die Generation der 30-Jährigen ließe sich süffisant als Generation Eintagsfliege bezeichnen, die der Generation Verschwendung folgt. 

Als die chinesisch-stämmige Köchin sich  in der alternativen privaten Lebens- und Forschungsgemeinschaft „Terra di Latte e Miele“ in den italienischen Alpen bewirbt, geht sie davon aus, dass sie hier  kochen wird. Schritt für Schritt muss sie sich jedoch damit auseinandersetzen, dass ihr ebenfalls namenloser Chef in  sauberer Bergluft eine selbstverwaltete Enklave betreibt für exakt die verschwenderische Lebensweise,  die die übrige Welt unbewohnbar gemacht hat. Dass der fette Smog bald auch die Alpen erreichen wird, ist abzusehen. In Lagerräumen tief im Gebirge lagern Millionenwerte an exklusiven Nahrungsmitteln, die Menschen außerhalb der Community nur noch vom Hörensagen kennen. Lebensmittel als Valuta Forte dienen inzwischen als neue Währung zur Bestechung.

Während Forscher in der sauberen Luft ausgestorbene Pflanzen- und Nutztierarten neu züchten, ist die Köchin u. a. als positiver Einfluss für Aida gedacht, die 18-jährige Tochter des Chefs. Schlimmer noch: aufgrund ihrer asiatischen Herkunft will der Mann sie wie eine Marionette als  Aushängeschild für seine Werbung von Investoren nutzen. Über ihren Bodymass-Index  wird zukünftig er entscheiden. Für die junge Köchin ist sein Modell existenzbedrohend, da inzwischen die USA ihre Grenzen geschlossen haben und sie als Einwandererkind der ersten Generation die Mindestpunktzahl für den Grenzübertritt nicht erreichen kann.

C Pam Zhang zoomt im Rückblick ihrer inzwischen gealterten, namenlosen Icherzählerin  eine sektenartige Luxus-Kommune der nahen Zukunft heran. Aus deren Einzelschicksal entsteht so das Bild einer Generation, deren Zukunft durch den Klimawandel bereits zerstört ist  und die von ihren Heimatländern buchstäblich vor die Tür gesetzt werden. Aida und die Erzählerin nehmen dabei  Positionen zweier Generationen ein, die Ältere erleidet ihr Schicksal zunächst, während  Aida längst kollektive Schuld reflektiert. Wie Zhangs Erzählerin unter Aidas Einfluss Schritt für Schritt ihren Horizont auf die Welt außerhalb ihres Zauns erweitert und die Motive ihres Arbeitgebers begreift, hat auf mich nachvollziehbar gewirkt.

Neben der obsessiven Thematisierung  ressourcenverschlingender Luxuslebensmittel  nimmt C Pam Zhang in ihrer Dystopie raffiniert Fragen von Nationalität, Abstammung, Migration und generell der Bewertung von Menschen nach individueller Nützlichkeit auf.