Rezension

Der unbedingte Wille zum Überleben

Die Feinde - Charlie Higson

The Enemy - Die Feinde
von Charlie Higson

Bewertet mit 4 Sternen

Vor etwas mehr als einem Jahr war die Welt vielleicht nicht unbedingt in Ordnung, aber auf alle Fälle normal. Erwachsene taten, was Erwachsene so tun, Kinder und Jugendliche fanden die Dinge nervig bis lächerlich, in dem beruhigenden Wissen, dass das Leben von eben jenen Erwachsenen geregelt werden würde. Doch dann passierte etwas oder wie es der Klügste dieses Buches formulierte: hörte vielleicht etwas auf zu passieren. Jedenfalls erkrankten alle Menschen über 14, bekamen eine tödliche Infektion und starben. Diejenigen, die nicht starben, erwachten als sabbernde, mordende Meute, welche jedes Kind tötete und fraß, dessen sie habhaft werden konnte. Logisch, dass jetzt in London nicht mehr viele Leute existieren.

Eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen hat sich zusammengeschlossen, um sich gemeinsam besser gegen die Feinde - die Erwachsenen - wehren zu können. Diese Erwachsenen sind zwar tödlich, aber sehr dumm, langsam und relativ leicht abzuschlachten. Ihr lest richtig - genau das tun diese Kinder, wenn sie auf die zombieartigen Wesen treffen. Mit Knüppeln, Messern, Bögen, mit jeder Art von Waffe, die sie sich verschafft oder gebaut haben, töten sie diese Erwachsenen. Wenn sie es nicht tun, sterben sie selbst - viele Verletzungen, die ihnen von den Feinden zugefügt werden, enden tödlich, wenn sie nicht gleich als Futter für die Meute dienen. Arran, Maxie, Achilleus, Ollie sind ein paar Kinder der Gruppe, einige der Älteren. Sie organisieren das Leben, ihre Unterkunft, ihr Essen, die Kämpfe. Wenn sie nicht aufpassen, werden sie von den Erwachsenen überfallen und gefressen. Blutig sind ihre Tage, ihre Nächte, selbst ihre Träume. Es gibt unter ihnen die Kämpfer, die immer an vorderster Front stehen, die Bastler, die für die Sicherheit der Unterkunft sorgen, die Mediziner, die Anführer. Sie versuchen sich durchzubringen und doch stirbt immer wieder einer von ihnen. Da taucht eines Tages ein Junge bei ihnen auf, der ihnen Erstaunliches erzählt: Im Buckingham Palace hat sich eine Gemeinschaft versammelt, denen es gut geht. Die genügend zu essen haben. Die fast keine der Erwachsenen zu sehen bekommen. Die angstfrei leben können. Wenn sie es schaffen, quer durch London bis zum Buckingham Palace zu gelangen, wären sie sicher ...

Mensch, was für ein Buch. Ehrlich, manchmal hat's mir den Magen umgedreht bei einigen Szenen, manchmal möchte man schreien und denkt sich: Verdammt, ihr seid doch noch Kinder, das sollte niemand erleben oder erdulden müssen. Und doch fand ich mich am Ende meiner Überlegungen immer wieder bei Zustimmung: So oder so ähnlich könnte oder würde es in so einer Situation ablaufen. Überleben würden nur die Stärksten, Klügsten und Skrupellosesten. Wenn es dann ältere Kinder gäbe, die sich ähnlich wie Maxie, Arran und die anderen um die Kleinen kümmern würde, wäre das super. Aber viele Sachen würden genauso passieren. Es würde zu täglichem Mord und Totschlag kommen, zu einer Übersättigung des Grauens, die hart macht. Es würde zu Kannibalismus kommen, und ganz sicher würde es Leute geben, die glaubten, im Falle des Weltuntergangs wäre es eine coole Idee, sich zum alleinigen König aufzuschwingen.

Ein paar Kleinigkeiten haben mich gestört. Dass extrem junge Kinder extrem kluge Sprüche draufhatten zum Beispiel. Dass sich überhaupt sämtliche Kids sehr wie Erwachsene aufführten, was zwar in so einer Extremsituation vernünftig wäre, aber eher unwahrscheinlich. Und selbst wenn sie so handeln würden, wären die wenigsten wohl in der Lage, sich wie Erwachsene auszudrücken. Das tun hier aber verdammt viele. Ist nicht ernsthaft störend, aber auffällig. Auch dass ständig von einer Perspektive zur nächsten gehopst wird, auch innerhalb einer Szene. Trotzdem haben wir im Endeffekt ein Buch vorliegen, das (mir) zu gefallen wusste, da die Zombie-Apokalypse einmal von einem anderen Standpunkt aufgezogen wurde. Es ist wohl ein Sechsteiler, und ich bin gespannt, ob die anderen Bücher auch noch übersetzt werden. Rein theoretisch könnte es für sich allein stehen, wenn man mit gewissen Cliffhangern leben kann.

Fazit: Erschreckend realistisch. Herr der Fliegen meets Zombies - das Ergebnis: Angst, Blut, Tod und der unbedingte Wille zum Überleben.