Rezension

Diese Leute

Liebe deine Nachbarn wie dich selbst -

Liebe deine Nachbarn wie dich selbst
von Louise Candlish

Bewertet mit 4 Sternen

2019 gewinnt Louise Candlish den British Book Award Crime & Thriller für „Our House“ und verweist so namhafte Kollegen wie Ian Rankin und Jo Nesbø auf die Plätze. Ein Grund, sich ihre Romane einmal genauer anzuschauen. Vierzehn mehr oder weniger erfolgreiche Bücher hat die Autorin seit 2004 veröffentlicht, die auch teilweise in deutscher Übersetzung vorliegen. Das wiederkehrende Thema ist die Variation der Toxizität zwischenmenschlicher Beziehungen, die Dynamik, die entsteht und außer Kontrolle gerät, wenn Außenstehende in ein geschlossenes System eindringen.

In „Liebe deinen Nachbarn wie dich selbst“ ist das der Lowland Way im fiktiven Londoner Vorort Lowland Gardens, eine propere Enklave der gehobenen Mittelschicht. Häuser und Gärten sind gepflegt, das Miteinander rücksichtsvoll. Eine harmonische Idylle. Bis, ja bis Darren und Jodie ihre geerbte Doppelhaushälfte beziehen. Und „diese Leute“ (der Originaltitel „Those People“ hätte viel besser gepasst) scheren sich nicht um die unausgesprochenen Regeln und Erwartungen der Nachbarn, die die Verwandlung des Grundstücks in ein Katastrophengebiet (O-Ton) mit Besorgnis beobachten. Rücksichtnahme auf die Alteingesessenen? Fehlanzeige. Toleranz gegenüber den Neuankömmlingen? Keine Spur. Die anfängliche Verärgerung weicht bald unverhohlener Aggressivität. Es kommt zu Drohungen, verbalen Übergriffen, der Umgangston wird rauer. Auf beiden Seiten. Bis die Situation schließlich eskaliert und jemand stirbt.

Diese Eskalationsstufen schildert Candlish minutiös, indem sie uns die Innenansichten der jeweiligen Beteiligten im Detail präsentiert. Und so fragt man sich mit zunehmendem Verlauf, ob mit „diesen Leuten“ tatsächlich die beiden Neuen in der Straße gemeint sind. Oder möchte sie uns vielmehr die Bruchlinien innerhalb dieses sozialen Mikrokosmos aufzeigen? Den Snobismus und die Heuchelei der angepassten, zivilisierten Bewohner demaskieren?

Ein Thriller? Nein, eher eine psychologische Fallstudie zum Thema Gruppendynamik und menschliches Verhalten in Ausnahmesituationen. Und gerade deshalb sehr interessant.