Rezension

Ein absolut lesenswerter Klassiker der Schauerliteratur, der durch einen bizarren Plot und skurrile Protagonisten polarisiert.

Wir haben schon immer im Schloss gelebt - Shirley Jackson

Wir haben schon immer im Schloss gelebt
von Shirley Jackson

Die achtzehnjährige Merricat und ihre Schwester Constance leben zurückgezogen mit ihrem Onkel Julian am Rande eines kleinen Dorfes in dem wunderschönen Anwesen der Blackwoods. Die Dorfbewohner machen keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber den reichen Leuten, die ihr Dasein ausgeschlossen aus der Gesellschaft in ihrem Schloss für sich fristen. Seit der großen Tragödie, bei der alle anderen Familienmitglieder vergiftet wurden und Constance des mehrfachen Mordes bezichtigt wurde, ist es ruhig im Schloss geworden. Als ihr Cousin Charles auftaucht und an den Inhalt des Familiensafes zu gelangen versucht, ist es an Merricat die Familie zu beschützen.

Shirley Jacksons Schauerroman »Wir haben schon immer im Schloss gelebt« hatte seine Erstveröffentlichung im Jahre 1962. Nun wurde der Klassiker vom Festa Verlag in seiner »Must Read« Reihe, ebenso wie »Spuk in Hill House«, neu aufgelegt.

Auf gerade etwas über 250 Seiten ist es der begabten Schriftstellerin gelungen, eine faszinierende und skurrile Geschichte zu weben, die mich wie eine Spinne mit ihrem klebrigen Faden umwickelte. Von der Queen of Horror darf man jedoch keine blutdurchtränkten Szenerien erwarten, ihre grandiose Stärke beweist sie vielmehr in den leisen Tönen, die zu einer schauderhafte Gruselatmosphäre arrangiert, eine mitreißende Melodie ergeben.

»Wir haben schon immer im Schloss gelebt« wird aus der Perspektive der achtzehnjährigen Mary Catherine, die liebevoll von allen nur Merricat genannt wird, erzählt. Sie ist die jüngste der drei Blackwoods und die einzige von Ihnen, die für Besorgungen den schützenden Boden ihres Anwesens verlässt und sich in das Dorf traut, das für sie einer Höhle des Löwen gleichkommt. Merricat hat eine ganz besondere Beziehung zu ihrer älteren Schwester Constance, die sie fast rund um die Uhr bemuttert, so dass man fast nicht glauben möchte, dass es sich bei Merricat um ein Kind und nicht um eine junge Dame handelt. Auch Merricat selbst verstärkt den gewonnenen Eindruck mit ihrer kindlichen Art, wie sie immer wieder Wörter wiederholt und sich ermahnt, netter zu ihrem senilen Onkel zu sein, der seit dem tragischen Familienvorfall im Rollstuhl sitzt.

Aus dieser Protagonisten-Konstellation ergibt sich ein skurriles Gesamtbild des Lebens der Blackwoods, das einen mit seinen Fängen von Kapitel zu Kapitel enger umgarnt. Besonders raffiniert gewählt ist die Erzählerin Merricat, welche wohl die eindrucksvollste psychologische Verfassung vorzuweisen hat. Bei ihr vermischt sich kindliche Fantasie mit einer Verrücktheit, die sich kaum greifen lässt. Der Leser kann sich dadurch, dass sie die Geschichte aus der Ich-Perspektive vorbringt, nie so wirklich sicher sein, was real ist und was nur Merricats Vorstellungsvermögen entsprungen ist. Durch dieses gekonnt eingesetzte Stilmittel erzeugt Shirley Jackson ein unterschwelliges Horrorszenario das die Haare zu Berge stehen lässt.

Das mitreißende Szenario wird durch Shirley Jacksons einnehmenden Schreibstil untermalt und kann bei mir vor allen Dingen durch seine Skurrilität punkten. Mit »Wir haben schon immer im Schloss gelebt« kann Shirley Jackson in meinen Augen zwar nicht ganz an ihr Werk »Spuk in Hill« House heranreichen und dennoch hat mich die Autorin mit ihrer außergewöhnlichen Geschichte gut unterhalten können. Liebhaber von speziellen Charakteren und Gruselgeschichten, die durch subtilen Horror den Atem stocken lassen, liegen bei diesem Roman goldrichtig.