Rezension

Ein Blick in die Seele eines gefolterten Menschen - 1001 Angst geht emotional sehr unter die Haut.

1001 Angst
von Lily Konrad

Bewertet mit 4 Sternen

Auf den Thriller „1001 Angst“ von Lily Konrad war ich besonders gespannt, da ich gelesen hatte, dass man tief in die Psyche des Täters eintaucht. Josef ist schon in jungen Jahren anders, als die übrigen Kinder in seinem Alter. Je älter er wird, umso grausamer werden seine Taten. Angefangen von Erpressung, bis hin zu Vergewaltigung. Als er schließlich ein Paar kennenlernt, das ihn in die SM-Szene einführt, lernt er seine wahre Passion kennen. Er träumt davon, eine Frau zu besitzen, sie zu quälen und ihr Schmerzen zuzufügen, wann immer ihm danach ist. Lina gerät durch Zufall in sein Visier. Er plant jeden Schritt im Voraus, bis er sie schließlich entführen kann. Für Lina beginnt die schlimmste Zeit in ihrem Leben. In einem dunklen Keller gefangen gehalten, muss sie furchtbare Dinge über sich ergehen lassen. Alltägliche Dinge, wie Kleidung, Essen oder eine Decke muss sie sich „verdienen“.

Das Buch besteht aus verschiedenen Erzählsträngen, die Lina, Josef oder seinen anderen Opfern gewidmet sind. Man erfährt viel von Josef, über seine Kindheit und den Weg zum erwachsen werden. Doch anstatt Mitleid mit ihm zu empfinden, wird er dem Leser immer unsympathischer, bis man ihn einfach nur noch widerlich und abstoßend findet. In Lina kann man sich sehr schnell hineinversetzten. Sie ist unheimlich sympathisch und wächst einem schnell ans Herz. 
Von der Handlung her fand ich „1001 Angst“ nicht schlimm. Dieses Buch kann man auch gut lesen, wenn man sonst kein Freund von Thrillern ist. Bestimmte Szenen werden nicht explizit beschrieben. Es geht weniger um die körperliche Qual, sondern mehr um die psychische Folter des Opfers. Die Kapitel aus Linas Sicht nehmen den Leser emotional sehr mit. Man erlebt alle Phasen des Opfers. Am Anfang hat Lina noch Hoffnung, schnell gefunden zu werden. Die Zeit vergeht und Lina muss erkennen, dass sie nicht mehr gesucht wird. Es folgt eine schlimme Phase voller Hoffnungslosigkeit und Depressionen. Lina gibt sich selber auf. Bis sie eines Tages einen Freund findet. An dieser Stelle möchte ich nicht mehr verraten. Wer dieser Freund ist, müsst ihr selber herausfinden. Er gibt Lina neue Hoffnung und sie beginnt, ihre Flucht zu planen. 

Besonders furchtbar fand ich, was mit der Psyche von Lina passiert. Die Phasen, die sie durchmacht, sind sehr erschreckend. Man gibt fast zusammen mit Lina auf, weil man nicht mehr an ein Entrinnen glaubt. Auch die Zuneigung zu ihrem neuen Freund hat mich so traurig gemacht, dass mir die Tränen kamen. Was passiert mit einem Menschen, der völlig isoliert wird, in Dunkelheit leben muss und immer in Angst vor neuen Schmerzen? Kann so ein Mensch jemals wieder einem anderen Menschen vertrauen oder weiß er überhaupt noch, was ein Freund ist? Gibt es nach jahrelanger Folter überhaupt noch ein normales Leben oder zerbricht das Opfer an den Folgen des jahrelangen Missbrauchs? Besonders schlimm fand ich das Ende, das in zwei verschiedene Richtungen ausgelegt werden kann. Beide sind furchtbar und zeigen, dass es kein Entrinnen gibt.
 

Fazit: Ein Blick in die Seele eines gefolterten Menschen - ein spannender Thriller, der unter die Haut geht und den man so schnell nicht wieder vergisst!