Rezension

Ein einziger Moment

Idaho - Emily Ruskovich

Idaho
von Emily Ruskovich

~~Emily Ruskovich – Idaho
Die Autorin Emily Ruskovich hat mit diesem Buch ein vielversprechendes Debut vorgelegt, für mich ist es eine Mischung aus Roman und Thriller, über ein bedrückendes Thema.

Eine ganz normale Familie arbeitet an einem heißen Sommertag im Wald – eine perfekte Idylle. Bis ein einziger Moment alles zerstört. Wades jüngere Tochter ist tot, die ältere spurlos verschwunden. Seine Frau Jenny wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Jahre später beginnt Wades zweite Frau Ann nachzuforschen, doch seine beginnende Demenz, erschwert dies. Ihr Zusammenleben mit ihm ist überhaupt nur aus der Tragödie heraus möglich, diese bildet quasi die Grundlage. So fühlt auch sie sich indirekt schuldig und versucht etwas wiedergutzumachen, das längst zerstört ist.

„Sie hat Wades Vergangenheit genommen und vor sich ausgebreitet. Ihre Zukunft ist ein Weg in die Vergangenheit, auch wenn er langsam verschwindet. Jenes langsame Ausradieren, jene weiße Linie, die sich durch das Dunkel in seinem Gedächtnis zieht, dieser Linie wird sie durch ihr eigenes Leben folgen. Und sie wird sie mit Gewissheit in ihr eigenes geheimes Gefängnis führen, direkt bis vors Tor.“ Seite 202

Emily Ruskovich hat eine ganz eigene, eindringliche Art zu erzählen. Ihr Werk ist sehr angenehm lesbar, wenn auch nicht immer leicht auszuhalten. Eine bedrohliche Stimmung schwingt zwischen den Zeilen stets mit. Sie erzählt aus verschiedenen Perspektiven und aus den unterschiedlichen Zeitebenen, stellt immer wieder die Frage, was ist damals wirklich passiert, wie konnte so etwas geschehen. Ganz wichtig: sie schafft es, Verständnis und Mitleid für alle Figuren entstehen zu lassen, selbst und besonders für die Mutter, die des Mordes an ihrer Tochter verurteilt wurde. Einen beträchtlichen Teil des Romans nimmt so die Beschreibung des Alltags und der Probleme Jennys im Frauengefängnis ein.

Ein weiteres großes Thema dieses Buches ist Wades Demenz, deren Vergessen für ihn Fluch und Gnade zugleich sind. So kämpft jeder gegen seine eigene Verzweiflung, sucht seinen eigenen Weg, mit der Tragödie zu leben.

Keine einfache Lektüre, aber hervorragend umgesetzt, ohne ständig auf die Tränendrüse zu drücken – für mich ganz große Literatur! Dringende Leseempfehlung.