Rezension

Ein großartiger Roman

Die weite Wildnis -

Die weite Wildnis
von Lauren Groff

Bewertet mit 5 Sternen

Die amerikanische Wildnis zu Zeiten der ersten Siedler. Ein Mädchen flieht. Vor was, das weiß man zunächst nicht. Sie ist alleine im Wald, hat Angst vor Männern, die man sicher auf sie gehetzt hat, friert und hungert. Und doch schlägt sie sich in dieser unwirtlichen und feindseligen Wildnis durch. Immer mit der Hoffnung, dorthin zu kommen, wo die Franzosen ihre Siedlungen haben. In der Hoffnung also auf ein besseres Leben. 

Es scheint ja ein bisschen so, als wäre das ein literarischer Trend: Mädchen in der Wildnis, die sich alleine durchschlagen. Aber mit diesem Roman setzt sich Lauren Groff von der Masse ab. Denn sie hat eine Geschichte geschrieben, die zwar ein Mädchen auf ihrer Flucht durch die Wildnis begleitet und die doch so viel mehr ist als nur das. 

Zunächst bricht der Roman mit jeglicher Romanitisierung des Lebens der ersten Siedler. Der amerikanische Traum, der hier seine Anfänge nahm, das Leben in Freiheit und Reichtum und die "City upon a Hill" wird als elendes, von Krankheiten, Siechtum, Armut und Hunger geplagtes Leben entlarvt.

Die Ankunft in der neuen Welt liest sich beispielsweise so: "...und trafen schließlich mit letzter Kraft am Ort ihrer Bestimmung ein, der Siedlung am James River, benannt nach ihrem König. Dort jedoch lag ein dichter, widerliche Rauch über dem Fort, und die Männer, die herauskamen und sie anstarrten, standen wie bleiche Skelette am Ufer. Aus ihren Mündern stieg noch mehr Rauch auf, Tabakrauch, der den beißenden Hunger lindern sollte, denn es herrschte bereits Mangel, wohin man blickte."

Der Fokus liegt dabei auf dem Leben der Frauen, die es besonders schlimm trifft, die keinerlei Freiheiten haben und die nicht selten ein Leben als Sklavinnen unter den Natives einem Leben unter den Siedlern vorziehen. Gleichzeitig ist die Angst vor den Männern ein roter Faden. Vor Vergewaltigung, vor Schmerz. "Die weite Wildnis" ist auch ein Buch darüber, was es hieß und was es heißt, in patriarchalen Strukturen als Frau zu (über-)leben. 

Und schließlich lässt sich der Roman als ein Kommentar über unseren Umgang mit der Natur lesen. Dafür bricht trennt er zunächst Natur von Religion und mit Dogmen, die die Siedler in die neue Welt getragen haben und die fundamentaler Bestandteil der Besiedlung waren. ("Macht euch die Erde untertan" usw.). 

"Keine Erlösung, denn Gott, den Erlöser, gab es nicht"

Der Roman ist für mich eine Absage an Gott, aber nicht an den religionsfreien Glauben. Er ist eine Ode an das Leben, an den Respekt vor der Natur und gleichzeitig keine Verherrlichung an das Leben des Menschen in der Natur. 

Unbedingt hervorgehoben werden muss auch die Sprache, die so gewandt ist und in die man mit Freude eintaucht. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der Übersetzerin Stefanie Jacobs.  

Ein unglaubliches Buch. Unbedingt lesen!