Rezension

Ein hochbrisanter Fall für einen unsympathischen Ermittler

Die Sünde - Toni Feller

Die Sünde
von Toni Feller

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ich gestehe, dass ich hin- und herüberlegt habe, wie ich dieses Buch zu bewerten habe. Es hat mich oftmals geärgert, weil ich so gar nicht mit ausgerechnet den Hauptpersonen klargekommen bin, aber andererseits war der Fall wirklich sehr spannend und vor allem hochaktuell.

Es geht um Verbrechen der Kirche, um Priester und ehemalige Priester, die vor vielen Jahren Kinder missbraucht haben und sich plötzlich damit konfrontiert sehen, dass diese Kinder irgendwann erwachsen sind - und wer weiß? Vielleicht zu sehr auf "Auge um Auge" pochen? Es geht um die Frage von Schuld und Sühne, von Tätern und Opfern und von Opfern, die zu Tätern werden. Es geht darum, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt und dass die Kirche es schon immer wunderbar verstanden hat, ihre eigenen Missetaten unter einen wohltätigen Schleier des Vergebens zu verstecken. Doch was, wenn irgendjemand es satt hat zu vergessen? Was, wenn irgendjemand endlich Gerechtigkeit will? Und wenn dieser jemand durch das, was ihm angetan wurde, nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann?

Von all dem weiß Nawrod nichts, der Kommissar, der von Stuttgart nach Heidelberg versetzt wird, weil er - wir wollen da mal nichts beschönigen - ein ziemliches Ar... wollte sagen ein recht unangenehmer Zeitgenosse ist. Er deckt zwar Verbrechen auf, übertritt dabei aber gern mal sämtliche Rechte und bricht Gesetze, wenn er der Meinung ist, damit weiterzukommen. Sein Auftreten ist das eines Alphatieres, dem sich gefälligst jeder unterzuordnen hat, und er behandelt seine Mitbürger gern mal wie den letzten Dreck. In Heidelberg wird ihm ausgerechnet die junge Kollegin Yalcin zur Seite gestellt, der er mit markigen Sprüchen und machohaften Benehmen gleich mal von Anfang an klar macht, wer der Tarzan im Kripodschungel ist.
Dass sich Nesrin Yalcin dagegen verbal wehrt, ist gut. Dass sie es mit Sprüchen tut, bei denen sich vor lauter Krasscheckerjugendsprache die Zehnägel aufrollen eher nicht. Und was auch immer man behauptet, Raserei ist nicht cool. Eher früher als später endet Raserei immer tödlich.

Diese beiden Ermittler sollen also klären, woher plötzlich die als Geschenk verpackten Gliedmaßen sind, die an Nawrod adressiert werden. Zuerst ein Finger, später ein Ohr, ein Auge, ein Herz ... Und dann gibt es wieder ein Opfer. Die Zeit läuft davon.

Tja, was soll ich sagen? Der Autor weiß sicherlich, wovon er spricht, wenn es um die Polizeiarbeit und die erwähnten Fälle geht, schließlich war er selbst bei der Polizei. Ich fand die Beschreibungen in der Gerichtsmedizin und die Ermittlungsarbeit selbst sehr interessant und vor allem fand ich es superspannend, dass sich mal jemand getraut hat, einen Fall in diesem Bereich anzusiedeln.
Unglaublich auf den Senkel ging mir leider der Hauptprotagonist und vieles, wenn es um ihn oder über ihn ging. Alle sind gleich immer hin und weg von ihm, selbst Leute, die ihn nicht leiden können oder Ärger mit ihm haben, sprechen in den höchsten Tönen von ihm. Selbstverständlich, dass bei so einem Prachtstück von Mann auch gleich alle Frauen den Verstand und ihr Herz verlieren - außer vielleicht seine Ex-Frau, die es wagt, sich einen Neuen anzulachen, was unserem Macho so gar nicht passt, obwohl er mittlerweile schon mit einer anderen anbandelt.

Fazit: Sollten euch egoistische Machos nicht nerven und ihr auf der Suche nach Thrillern sein, die sich um Missbrauchsfälle im Kirchenbereich drehen, seid ihr hier genau richtig. Freunde moralisch einwandfreier Kommissare und authentischer Dialoge sollten sich lieber eine andere Lektüre suchen.