Rezension

Ein Roman mit viel ungenutztem Potenzial

Die Frau von Shearwater Island - Magali Robathan

Die Frau von Shearwater Island
von Magali Robathan

Bewertet mit 2.5 Sternen

Eine Insel, auf der nur eine Handvoll Leute leben und die in den Wintermonaten von der Außenwelt abgeschnitten ist; ein Mord auf der Insel vor vielen Jahren; ein Schriftsteller, der auf die Insel zieht, um in Ruhe schreiben zu können … perfekter Stoff für einen Roman. Dazu das Hardcover, nach dessen geriffeltem Schutzumschlag mit dem schönen Bild man einfach automatisch greifen muss … es hätte das perfekte Buch sein können.

Nur wenige Menschen leben auf Shearwater Island. Im Sommer bringen Touristen Geld auf die Insel, das für das ganze Jahr reichen muss. Und in den langen Wintermonaten sind die Bewohner einerseits aufeinander angewiesen, andererseits gehen sie sich nach einer Weile sehr auf die Nerven. Zu dieser verschworenen Gemeinschaft stößt der Autor Patrick Fox, der auf der Insel an seinem zweiten Roman arbeiten will. Gegen den Willen einiger Inselbewohner zieht er zu Alice. Sie ist Mitte Dreißig und lebt seit dem Tod ihres Vaters allein in ihrem Haus. Es kommt, wie es kommen muss: sie verliebt sich in ihn und erzählt ihm an den langen Abenden zu zweit alles, was er über die Inselbewohner wissen will, selbst ihre größten Geheimnisse. Patrick wiederum kommt mit der Arbeit an seinem Buch nicht voran und merkt plötzlich, dass es ein viel interessanteres Thema gibt, nämlich die Geschichten, die Alice ihm erzählt…

Beim Lesen musste ich mir oft vor Augen führen, dass das Buch in der Gegenwart spielt, in der es zum Beispiel Email und Internet gibt. Zum Teil ist das Leben auf der Insel wirklich wie vor 50 Jahren, denn bei allem technischen Fortschritt müssen immer noch Haus und Hof gegen Sturm und Regen gesichert, Vorräte angelegt und mit dem elektrischen Strom sparsam umgegangen werden. Alice benimmt sich auch wie ein Backfisch von vor 50 Jahren, das war der Grund, warum ich in Gedanken immer in der Vergangenheit war und mich daran erinnern musste, dass die Handlung heute spielt.

Die Atmosphäre auf der Insel und die Natur dort sind wunderschön beschrieben. Ich hatte wirklich das Gefühl dort zu sein. Von der Atmosphäre her ist es ein sehr schönes Buch. Leider zerstört die Protagonistin, Alice, diese Atmosphäre total. Sie ist so naiv, gutgläubig und oft auch einfach dumm, dass ich es oft kaum ausgehalten habe. In der Handlung selbst geschieht sehr wenig und davon steht auch noch fast alles schon im Klappentext.

Es ist mir selten so schwer gefallen, eine Rezension zu einem Buch zu schreiben, aber hier treffen zwei Extreme aufeinander. Auf der einen Seite der schöne Stil der Autorin und die tolle Atmosphäre, die sie schafft, auf der anderen Seite die kaum vorhandene, vorhersehbare Handlung und die nervige Protagonistin. Auf einigen Seiten mit Beschreibungen der Insel war ich ganz in das Buch vertieft, bis irgendwann Alice wieder auftauchte, die Stimmung zerstörte und mich langweilte.

Aus diesem Buch hätte die Autorin mit einer besseren Story und ausgereifteren Charakteren so viel mehr machen können…!