Rezension

Ein Schatz

The Sleeper and The Spindle - Neil Gaiman

The Sleeper and The Spindle
von Neil Gaiman

Bewertet mit 4 Sternen

Coop-Rezi mit OriginalDibbler

Zu Gast war ich in der Bibliothek von Imre. Genauer gesagt auf dem gleichnamigen Blog eines mir in Lesekameradschaft verbundenen Bloggers.

Salût OriginalDibbler, herzlich Willkommen bei den Lesekatzen, bevorzugst du den Kratzbaum für eine gemütliche Leserunde oder lieber die Sofaecke? Übrigens eine Frage, die ich dir schon lang mal stellen wollte: Hast du auch ein oder mehrere Haustiere?

Moin moin. Das sind ja gleich zwei Fragen in einer. Das geht nun wirklich nicht. (lacht) Mein liebster Leseplatz ist tatsächlich ein Gartenstuhl in der Sonne. Von daher gehöre ich auch zu den wenigen Leuten, die im Frühjahr/Sommer mehr Lesen als im Herbst/Winter. Haustiere habe ich auch. Zwei wundervolle französische Bulldoggen, die auf die Namen Molly und Stubbi hören. Aufmerksame Leser meines jungen Blogs durften sogar schon ein Bild der beiden bewundern.

Welchen Schatz hast du mir also mitgebracht?

Da du ja immer noch nichts von Neil Gaiman gelesen hast, dachte ich, ich bringe dir mal was von ihm zu lesen mit. Dieses schöne Buch hier – es heißt „The Sleeper & the Spindle“ - ist erst letzten Herbst im Bloomsbury Verlag erschienen. Der geniale Neil Gaiman hat die Geschichte geliefert, während der auf seinem Gebiet ebenfalls herausragende Chris Riddell es reichhaltig illustriert hat.

„The Sleeper and the Spindle“ - das schreit ja geradezu nach der Königstochter die sich an der Spindel eines Spinnrades in den Finger stach und in einen tausendjährigen Schlaf fiel. Sind wir hier im Märchenbereich unterwegs? (Und dann auch noch in Englisch - etwa das ganze Buch? - Das kannst du ja nicht wissen, aber du tust mir grad einen Gefallen damit. Denn ich hatte mir für dieses Jahr 3 Bücher vorgenommen in der englischen Sprache zu lesen. Zusammen mit: „Riveted“ und „Enshadowed“ ist mein Soll demnach jetzt erfüllt!)

Das hast du beides gut erkannt. Tatsächlich hat sich Gaiman dieses klassischen Märchenstoffes angenommen. Das macht er übrigens, besonders in seinen kürzeren Arbeiten, gerne. Nicht zwangsweise mit Märchen, sondern grundsätzlich mit bekannten Motiven. Das, was in diesem Fall herausgekommen ist, ist immer noch ein Märchen aber weit weg von Original.
Und ja, das Buch ist tatsächlich in Englisch. Alle Romane Gaimans sind mittlerweile auch auf Deutsch erschienen und in letzter Zeit wurden auch einige seiner kürzeren Werke übersetzt aber dieses ist einfach noch zu frisch.

Was hast du im Vorfeld von der Lektüre erwartet? Ich bin ziemlich gespannt, weil ich schon viel Lob über diesen Autor gehört habe, ob er dem wohl gerecht werden kann?
Was ich an Gaiman so bewundere ist seine Fantasie. Ich kann es gar nicht richtig in Worte fassen, was an seiner Fantasie so besonders ist. Sie ist irgendwie kindlich, irgendwie magisch und sehr oft überraschend. Dementsprechend habe ich von dem Buch ein bezauberndes Märchen mit einer überraschenden Auflösung erwartet.
Ich bin natürlich überzeugt, dass Gaiman, den Erwartungen gerecht wird. Ob dieses Buch den Erwartungen gerecht wird, ist eine Frage, die wir vielleicht noch einen Moment zurückstellen sollten.

Na dann wollen wir mal einen Blick rein werfen. Kann es sein, dass die Hälfte des Buches bebildert ist? Interessanter Zeichenstil, wie gefällt er dir?

Ja, 50% trifft es ganz gut. Die Bilder sind schwarz-weiß mit goldenen Highlights. Vor kurzem habe ich ein anderes Buch mit Illustrationen von Chris Riddell gelesen (Fortunately the Milk ). Dort waren seine Zeichnungen detailreich und humorvoll. Hier sind sie ebenfalls detailreich aber vor allem sehr ästhetisch. Ich muss sagen, dass sich das Buch schon allein für die Zeichnungen gelohnt hat.

Aber nun zum Inhalt. Der Autor entführt uns also tatsächlich in eine Märchenwelt mit drei Zwergen, welche auf munter beschwingte Weise zwischen zwei Königreichen hin und her wechseln und dabei feststellen, dass in dem einen eine verdächtig nach bösem Fluch stinkende Schlafkrankheit grassiert. Diese Entdeckung tragen sie nun der Königin des anderen Reiches zu. Und das holde Weib fackelt nicht lang, lässt ihren Verlobten stehen, schmeißt sich in die Rüstung, besteigt ihr weißes Ross und macht sich auf mit ihren drei halben Freunden drüben nach dem Rechten zu schauen. - Ich finde, es ist schwer hier nicht zu viel zu verraten, denn diese kurze Geschichte hält allerhand schöne Hinweise bereit. Wer hier wer ist, sich mit wem verbündet, wen verliert und das alles ganz anders ist als man auf den ersten Blick glauben mag. Aber eines kann ich ausschließen, hier rettet die Königin nicht irgendeinen Nachbarsprinzen und macht einen auf ‚lebten glücklich bis an ihr Ende‘. Denn dieses Märchen, welches dort ansetzt bei dem normale Geschichten aufhören, hat ganz einfach kein Ende. Nein, es bricht eben einfach ab, mit der Aussicht auf unbegrenzte Möglichkeiten. Es bietet dem Leser einen Ausschnitt des Lebens dieser Hoheit, ihre Vergangenheit können wir uns vorstellen und nach der Einsicht dieses Einblickes können wir uns ausmalen was sie noch anstellen wird.
Dibbler, was hat dir an dieser Geschichte besonders gut gefallen?

Besonders gut gefallen hat mir wie Gaiman mit Klischees spielt. Einerseits entspricht er dem Klischee voll, wenn er ein hübsches blondes Mädchen schildert, dass gerettet werden muss, andererseits bricht er ganz bewusst mit Klischees, wenn die potentielle Retterin genau das ist – eine Retterin und kein männlicher Retter. Außerdem hat mir – besonders in der zweiten Hälfte – gut gefallen, wie überraschend die Geschichte verläuft.

Gab es auch etwas, was du misslungen fandest?

Nein, wirklich misslungen fand ich nichts. Allerdings habe ich es so empfunden, dass Gaimans Erzählung lange hinter den wundervollen Illustrationen zurück blieb. Schlecht ist die Geschichte nicht aber begeistert hat sie mich erst gegen Ende.

Ich hab’ einen Lieblingssatz, um ihn zu verstehen, sollte man aber wohl die Geschichte kennen. Ich mag diese humorvollen Hinwendungen, wie zB: „Wake her how?“(...) - „The usual method“,(...) - „So, bowl of cold water poured on the face and a cry of 'Wakey! Wakey!'?“ (p.16)
Was ist dir hinsichtlich des Schreibstils besonders in Erinnerung geblieben?

Ein Satz ist mir tatsächlich in Erinnerung geblieben: „Names are in short supply in this telling.“ (p23) Ich mag solche Details, die der kindliche Leser überliest, die aber den erwachsenen (Vor)Leser unterhalten.
Ansonsten muss man sagen, dass der Schreibstil wirklich gut zu einem Märchen passt, womit ich sagen will, dass er, obwohl Prosa, einen schönen Rhythmus und eine schöne Melodie hat.

Vergessen dürfen wir nicht, hier handelt es sich um eine Zusammenarbeit von Schrift und Bild. Chris Riddell hat nicht nur getreu den beschreibenden Worten des Autors nach die Figuren dargestellt, sondern teilweise auch seine eigene Kreativität weiter spielen lassen und uns zum Beispiel einen hübschen schnarchenden Höhlentroll serviert. Will damit sagen, der Illustrator hat die erzählten Szenen über seine Bildsprache verbunden und sie rein optisch im Zusammenspiel mit Gaimans Worten auf den Leser wirken lassen. Ich fand es übrigens ganz reizend keine klassischen Rosenblüten zu verwenden, sondern tatsächlich diese kleinen (die eher wirken wie Mohnblumen) Heckenröschen.

Da hast du recht, die Art und Weise, wie sich Text und Wort ergänzen ist wirklich speziell aber gerade für das Vorlesen kann ich mir vorstellen, dass es sehr reizvoll ist, dass es Passagen gibt, die man frei erzählen „muss“.

Hast du auch ein Lieblingsbild?
Meines ist ziemlich weit hinten platziert und daher möchte ich es nicht beschreiben, nur so viel: Da es sich um eine Doppelseite handelt welche in der hier typischen schwarz/weiß Skizze mit goldenen Applikationen gehalten ist, könnte ich wahrscheinlich einen Aufsatz über den Bildaufbau und ganzen vorhandenen Symbole und Verbindungen in ihm herunter schreiben. Eine weitere schöne Szene ergab sich, als die Protagonistin sich den verletzten Daumen in den Mund gesteckt hat und ihr langes Haar ihr Gesicht halb verdeckte.

Oh ja, es gibt mehrere Bilder, die mich sehr begeistert haben aber da ich nicht noch mehr vom Inhalt verraten will, nenne ich an dieser Stelle einfach mal die Illustration auf der Umschlaginnenseite. Da gibt es sehr schöne Karte/Luftaufnahme der beiden Königreiche.

Kommen wir zum Ende unserer gemeinsamen Leserunde. Alles in allem was sagst du: Ist es ein würdiges Exemplar eines Gaimans?

Auf diese Frage gibt es nur eine mögliche Antwort, nämlich ein entschiedenes Jain. Im Prinzip ist es schon ein typischer Gaiman aber an seine besten Werke – allem voran Neverwhere – kommt es nicht heran.

Schön, dass du da warst, Dibbler. Ich freue mich immer auf den Austausch mit anderen Bloggern. Und darf ich es verraten? - Wir haben schon das nächste Buch parat liegen - es wird Grün werden!

Vielen Dank, dass ich bei euch zu Gast sein durfte, Key. Auch mir hat der Meinungsaustausch wieder gut gefallen. Aber jetzt ziehe ich mich erst einmal zurück und mein Rollo herunter.

Von Seiten der Lesekatze gibt's für den ersten Ausflug zu Neil Gaiman eine sogar richtig gute Punktzahl, auch im Hinblick auf die Illustrationen. Und Key freut sich auf weitere Werke von diesem Autor.