Rezension

Ein toller historischer Roman

Unter den Linden 6 - Ann-Sophie Kaiser

Unter den Linden 6
von Ann-Sophie Kaiser

Bewertet mit 5 Sternen

Ein wunderbares Porträt der damaligen Gesellschaft und den Anfängen des 20. Jahrhunderts

Drei Frauen, ein Wunsch: Die Welt entdecken

Berlin, 1907 

Die junge Wissenschaftlerin Lise kommt nach ihrer Promotion an die Friedrich-Wilhelms-Universität Unter den Linden, um bei Professor Max Planck zu forschen. Dass Frauen in Preußen offiziell noch nicht an den Universitäten zugelassen sind, kann sie nicht aufhalten. Schon bald arbeitet sie neben Otto Hahn , entdeckt die Kernspaltung und eroberte letztendlich durch ihr Können auch die Hochachtung des Institutsleiters Professor  Max Planck . 

„Die Figur der Lise erinnert an Lise Meitner (1878–1968), eine der bekanntesten Physikerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war die erste deutsche Physik-Professorin und entdeckte die Kernspaltung.“

Das Schicksal führt Lise mit zwei weiteren wissbegierigen Frauen zusammen , die genau wie sie nichts davon halten , das Frauen an der Universität nichts zu suchen haben . Die junge gut verheiratete Hedwig muss die Unterschrift ihres Mannes fälschen, um die Uni besuchen zu können – denn ohne die Zustimmung des Ehemannes geht zur damaligen Zeit nichts. 
Anni arbeitet als Dienstmädchen beim berühmten Friedrich Althoff und liest sich heimlich durch dessen Bibliothek . Als Annis Dienstherren  ihren Bildungshunger bemerken , wird sie sogar von beiden gefördert und darf  ihr Abitur machen. 
Die drei unterschiedlichen Frauen werden zu engen Verbündeten, die gemeinsam um ihr Glück, die Liebe und das Recht auf Wissen und Bildung kämpfen. Denn die Widerstände in der männlichen dominierten Universitätswelt sind hoch.

"Ob Frauen studieren dürfen? Ob Frauen studieren können? Ob Frauen studieren sollen? Mir persönlich erscheinen diese Untersuchungen ebenso müßig, als wollte jemand fragen: Darf der Mensch seine Kräfte entwickeln? Soll er seine Beine zum Gehen gebrauchen?" Hedwig Dohm *****

1907 war es nicht üblich , dass Frauen an Universitäten studieren und  in die bornierte Gemeinschaft der ausschließlich männlichen Gelehrten und Studenten ihren Einzug halten durften . Für eine Vielzahl der Männer sollte sich an dem Zustand auch bitte nichts ändern . Frauen , die in einer Universität wie selbstverständlich Ein  und Aus gingen  und dann auch noch an einem Lehrgang teilnehmen, sind der Untergang einer jeden Gelehrten….
 Um es ganz deutlich zu sagen , Frauen sind unerwünscht ! Bei fast jedem Professor, in  fast jedem Kurs . ....
Mit so vielen preußischen Vorbehalten hat Lise , die in Wien an der Universität in Physik promoviert hat nicht gerechnet . Dabei hatte sie sich so darauf gefreut bei Max Plank am Institut zu forschen und sich auf ihre  spätere Professur vorzubereiten. Das einzige das ihr erlaubt wird , ist als zahlender Gast im Hörsaal zu sitzen und darauf zu hoffen, dass die Zeit für sie arbeitet . Lise muss in all den Jahren bei ihren Forschungen um jedes bisschen  Anerkennung kämpfen und kann  trotz großer Erfolge , im Gegensatz zu männlichen Kollegen, nur von einer bezahlten Anstellung träumen. 
Hedwig hat auch  nicht mit den strengen Regeln und Vorschriften für die Einschreibung an der Universität gerechnet . Sie ist unglücklich mit einem wohlhabenden Geschäftsmann verheiratet , für den sie nur die passende Dekoration an seiner Seite ist .Hedwig hat  nicht nur die Nase voll von ihrem ungeliebten Gatten  , sie hat auch seine Unterschrift gefälscht , das sie an der Universität Geschichte studieren darf . Die Abweisung des Professor bei der Einschreibung lässt sie nicht gelten und taucht einfach jeden Tag unerlaubt in seiner Vorlesung für Deutsche Geschichte auf . Ihr Affront hat Erfolg und letztendlich darf sie im Hörsaal bleiben und lernen . 
Die dritte im Bunde , Dienstmädchen Anni , ist schon immer wissbegieriger gewesen als es in ihrem Stand eigentlich üblich ist und Dank ihrer Großmutter durfte sie sogar ihren Schulabschluss machen , den sie als eine der Besten ihres Jahrgangs abschloss. 

 Die Autorin Ann-Sophie Kaiser hat mit ihrem historischen Roman Debüt „Unter den Linden 6“  ein wunderbares Portrait der damaligen Gesellschaft und den Anfängen des noch jungen , zwanzigsten Jahrhunderts gezeichnet . 
Die lebendige und bildhafte Erzählung über die Entwicklung des Frauenrecht auf Bildung und Kultur , sowie die wunderbar eingeflochte Geschichte über  Lise Meitner , die erste preußische Physik Professorin , hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt . 
Für mich ist „Unter den Linden 6“ ein toller und anspruchsvoller Wohlfühl-Roman , der mir einen wichtigen Teil unserer Geschichte näher gebracht hat .  Zusammen mit den sympathischen drei Heldinnen des Romans durfte ich einen hochinteressanten Spaziergang in die Vergangenheit machen und einen exklusiven Einblick in die  Anfänge der Gleichberechtigung von Frauen und Männern haben . Selbst der Forschung  in Physik konnte ich Dank Lise Meitner, eine gewisse Faszination abgewinnen . Wobei mir die Schutzvorkehrungen bei den Arbeiten mit Radioaktiven Stoffen , sprichwörtlich „die Haare zu Berge stehen lassen“ haben. 
Ich habe mich  von daher sehr gefreut als ich gelesen habe ,  das Lise Meitner ein gesegnetes Alter von 89 Jahren erreichen durfte . 

 
Sehr gerne vergebe ich für den tollen Roman, 
der  einen Platz im Regal  bei meinen Herzensbüchern bekommt , 

5 Sterne *****

und eine ganz klare Leseempfehlung 

 

@heidi_59