Rezension

Ein Wechselbad der Gefühle zwischen abgrundtiefer Abscheu und Verständnis

In der Schlinge des Hasses -

In der Schlinge des Hasses
von Herbert Dutzler

Bewertet mit 5 Sternen

Es kostete mich ein wenig Überwindung, ein Buch zur Hand zu nehmen, in dem es um rechtsradikale Gewalt geht. Doch überzeugt durch die bisher durchweg positiven Rezensionen zu dem Buch ließ ich mich auf Dutzlers Kriminalroman ein, und wurde nicht enttäuscht. Beginnend mit den bewegenden Erlebnissen in Leos früher Kindheit baut man als Leser zum Einstieg direkt eine empathische und bemitleidende Beziehung zu dem kleinen Leo auf. Ein extrem autoritärer Familienvater und Ehemann, der zudem politisch äußerst rechts verortet ist, sind keine guten Vorzeichen für eine behütete und harmonische Kindheit. Doch die heutige Realität in Leos Leben zeigt den jungen Studenten in einem andern Licht. Die Gesinnung des Vaters scheint abgefärbt, die Mutter ist zerbrochen und Alkoholikerin, Leo scheint mit der Situation und seinem eigenen Leben überfordert.

So ist der Alltag des jungen Mannes geprägt durch die falschen Freunde, einem kaputten Elternhaus und jeder Menge Ressentiments und Vorurteilen gegen Ausländer. In seinen Darstellungen geizt der Autor nicht mit teils sehr provokanten und deutlichen Äußerungen, die auch darauf abzielen, den Lesenden in eine abgrundtiefe Abneigung gegen den Protagonisten zu versetzen. Doch die stets wiederkehrenden Rückblicke in Leos Kindheit sind der psychologische Gegenpol zu seinem Handeln in der Gegenwart. Hier verfiel ich leicht in Empathie mit Leo, zeigte Betroffenheit und teils gar Verständnis für das Verhalten des kleinen Leo. Nicht selten fand ich mich in einem Wechselbad der Gefühle wieder – irgendwo zwischen verachtender Abneigung und bemitleidendem Verständnis.

Die Verhaltensweisen und der Charakter der Hauptfigur sind besonders gut herausgearbeitet. Sein geradezu jugendlicher Leichtsinn wird durch die teils sehr dillettantischen Vorgehensweisen und ein besonders ausgeprägtes Maß an Naivität extrem gut herausgestellt. Dass dies dem Protagonisten früher oder später auf die Füße fallen wird, ist mit der Zeit vorhersehbar, doch die Auflösung durch die Wiener Polizei ist hervorragend in Szene gesetzt und bereitete mir großes Lesevergnügen.

Auch Leos stete Wechselbäder der Gefühle arbeitet der Autor sehr gut heraus. Eben noch von positiven Gedanken geleitet, platzt die Wut und Aggression vom einen auf den anderen Moment aus Leo heraus, was den Verlauf der Handlung immer wieder zu überraschenden und unvorhersehbaren Wendungen führt. Emotionell führt der Autor damit den Hauptcharakter immer wieder auf eine Gratwanderung zwischen Lust und Frust. Mit zunehmender Seitenzahl wurde mehr und mehr deutlich, dass das emotionale hin und her eine Parallele zu den Empfindungen des Lesenden darstellt. So schwankt der Lesende stets zwischen Abscheu und Verständnis. Zwischen Ablehnung und Betroffenheit.

Dutzlers Roman “In der Schlinge des Hasses” ist ein sehr gelungener psychologischer Krimi, da es nicht dem klassischen Stil eines Kriminalromans oder Thrillers entspricht, sondern viel mehr auf die emotionale Ebene des Lesers einwirkt. Es handelt weder von einem erfahrenen Gangster, noch spielt die Ermittlungsarbeit der Polizei eine übergeordnete Rolle. Die Handlung ist sehr verdichtet und wird stets vorangetrieben, was zu keiner Zeit dazu führt, das der Spannungsbogen nachlässt oder gar Langeweile beim Lesen auftritt. Das Buch ist für mich eine der positiven Überraschungen im Jahre 2023, das jedoch durchaus etwas Mut zum Lesen erfordert.

Ein Autoreninterview zu diese Roman finden Sie auf meinem Blog Auszeit-Geschichten.de