Rezension

Ein wichtiges Buch über die Wahrnehmung einer selbstbestimmten Frau - und soviel mehr!

Im Bauch der Königin - Karosh Taha

Im Bauch der Königin
von Karosh Taha

Bewertet mit 5 Sternen

"Es wäre eine große Ungerechtigkeit, wenn es nur eine Wahrheit gäbe”

Manchmal greift man zu einem Buch und fühlt, dass man es lieben wird. Begeistert von der Idee, dass es sich bei “Im Bauch der Königin” um eine Wendebuch handelt, wollte ich das Buch unbedingt kennenlernen. Auf der einen Seite wird die Geschichte von Amal erzählt, dreht man das Buch um, fängt die Geschichte mit Raffiqs Erzählung an. Es bleibt einem selbst überlassen, welche Geschichte man als erstes liest. Hierbei gibt es kein richtiges oder falsches vorgehen. Gewiss ist, dass man es bestimmt mehr als einmal lesen will. So geht es mir jedenfalls. Ich bin begeistert von der Sprache, den Geschichten, den feinfühligen Lebensweisheiten, der bedeutenden Message dahinter, dem Konzept des Wendebuchs, den Geschichten in der Geschichte, dem durchdachten Buchtitel– kurzum ich liebe es!

“Zum ersten Mal redet er darüber, und so abwesend, wie er schaut, scheint es ihn kaum zu berühren, denn es ist zu einer Geschichte verkommen, die man ständig erzählt und von der man jede Wendung kennt, und die Figuren haben nur Grundgefühle wie Wut, Hass und Liebe wie bei einem Märchen.”

Wenn man, wie ich, den Klappentext nicht liest, rächt sich das irgendwann. Aus Angst, er könnte zuviel verraten, meide ich diesen oftmals. Tatsächlich ist diese Sorge aber bei “Im Bauch der Königin” unbegründet.
Und so ging ich anfangs davon aus, das beide Geschichten unter den selben Bedingungen und “nur” aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt werden. Dabei verschieben sich die Lebensumstände von Amal sowie Raffiq, den beiden Erzähler*innen der Geschichte. Dieses Aufzeigen der verschiedenen Realitäten, das Aufzeigen vom Multiversum, wenn eine Gegebenheit in der Vergangenheit anders passiert wäre, welche Auswirkungen das auf das eigene Leben hat, macht das Buch umso spannender.

Ich bin es gewohnt, mich bei Geschichten auf den/die Erzähler*in zu konzentrieren. Sie definieren die Geschichte, sie sind die Hauptfigur. Karosh Taha bricht mit diesem Konzept. Shahira ist die Hauptfigur, ohne präsent im Vordergrund zu stehen und irgendwie tut Sie es doch. Immer wieder.

Im Gespräch mit dem Autor Senthuran Varatharajah spricht Karosh Taha im Literaturhaus Berlin über “Im Bauch der Königin” und erklärt auch den Titel. Sehenswert! Das Video dazu hat mich dem Buch nochmal auf eine besondere Art näher gebracht. Hat mir Shahira nochmal näher gebracht.

So sagt die Autorin, das Sie keine zwei getrennten Bücher auf den Markt bringen wollte. Ihr war es wichtig, “dass das Buch quasi als ein Körper gesehen wird und das man es von beiden Seiten lesen kann. Das es im Grunde zwei Welten sind, aber es trotzdem Überschneidungen gibt. Die krasseste Verbindung ist eben durch die Figur der Shahira.”
Für die selbstbestimmte Shahira gibt es keine Bezeichnung. Weder im kurdischen, noch im deutschsprachigem, polnischen, spanischen Raum.
Karosh Tara wollte eine promiske Frau, die ihre Sexualität frei auslebt. Keine Femme fatale, die Sexualität als Instrument nutzt und deren Ziel es ist, dem Mann zu schaden.
“Das wollte ich nicht. Ich wollte eine andere Figur erschaffen.”
Sie wollte eine Frau, die Ihre Sexualität auslebt. Und zwar kompromislos. Eine Figur, die Sex hat, weil Sie es genießt. Die dadurch bei sich ist.
“Als Schriftsteller*in haben wir die Möglichkeit diese Figuren zu schreiben und bei der Beschreibung auch radikal und brutal vorzugehen. Diese Freiheit sollten wir nutzen, um neue Figuren zu erschaffen und diese ganzen Beschreibungen oder Zuschreibungen, die durch die Literaturgeschichte passiert sind, zu widersprechen!”

Vielen Dank liebe Karosh Taha für dieses -durch und durch - gelungene Werk! Ich hoffe, dass es die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient! Bei mir zieht jetzt dein Erstlingswerk “Beschreibung einer Krabbenwanderung” ein, aber “Im Bauch der Königin” wird für immer einen besonderen Platz (und Stellenwert) haben – nicht nur im Bücherregal.