Rezension

Ein wirklich gutes Stück Kriminalliteratur

Happy Birthday, Türke - Jakob Arjouni

Happy Birthday, Türke
von Jakob Arjouni

Dieses Buch fand ich so großartig, dass ich gar nicht weiß, wohin mit all meiner Freude! Bücher, die einen so richtig begeistern, sind immer etwas ganz besonderes und es fällt mir schwer, "Happy birthday, Türke!" mit Worten gerecht zu werden. Denn wenn ein Buch es mir so richtig angetan hat, dann neige ich auch leicht zur Glorifizierung. Daher kann es gut sein, dass ich schlichtweg blind bin für eventuelle Schwächen, die „Happy birthday, Türke“ haben könnte. Denn auch, wenn ich beispielsweise das Ende recht früh erahnen konnte, war die Geschichte in meinen Augen so genial erzählt, so rund, so zufriedenstellend in allen für mich relevanten Punkten, was bleibt mir da mehr, als begeistert zu sein?!

Besonders, da ich von Hause aus eine Schwäche für diese Art von Detektivromanen habe. Der hartgesottene Privatdetektiv, der sein Whiskeyglas nicht nur in einem Zug leert, sondern es auch ohne mit der Wimper zu zucken zerkaut, hinunterschluckt, aufsteht, loszieht und seinen verdammten Fall klärt. Für diese Art von Figurenzeichnung sollte man ein wenig Begeisterungsfähigkeit mitbringen, um Freude an den Geschichten um den Frankfurter Privatdetektiv Kemal Kayankaya zu haben.

Kemal Kayankaya, 26, Privatdetektiv in Frankfurt am Main, versteht wunderbar hessisch, aber kein Wort türkisch. Da fühlen sich schon die ersten auf den Schlips getreten, türkische wie hessische Mitbürger. In Ankara geboren, ist er nach dem Tod seiner Eltern in Frankfurt am Main aufgewachsen, ein hessischer Bub durch und durch quasi, auch wenn seine Mitmenschen in ihm nur den Türken sehen. Es gibt viele Szenen, die das Thema aufgreifen und erstaunlich wenige Menschen in diesem Buch, die ohne Schranken denken können. Bedenkt man, dass „Happy birthday, Türke“ in den frühen 1980er Jahren geschrieben wurde, fällt auf, dass... ja, was eigentlich? Dass auch in den 80er Jahren Alltagsrassismus überall anzutreffen war? Dass Menschen damals auch nicht klüger waren, nicht toleranter? Aber es gibt wie immer beide Seiten, die netten und die garstigen, auch im Buch. Damals und heute.

Und das Buch will da auch gar nicht mit dem erhobenen Zeigefinger mahnen, zumindest kam es mir so nicht vor. Es bildet einfach die Realität ab, gerade was die sozialkritischen Themen angeht. Die Story selbst ist fiktiv und dabei ein absolut stimmiger Kriminalfall. Und es geht ordentlich zur Sache, ganz so, wie ich es mir bei einem Privatdetektiv-Krimi vorstelle. Da wird ordentlich ausgeteilt und eingesteckt, im Milieu ermittelt, man trifft sich in dunklen Gassen und in noch dunkleren Kneipen, Fäuste fliegen, ebenso die dicken Sprüche, und das alles mit einer klitzekleinen Prise Humor, einer Art Nonchalance. Ganz der toughe Typ, trotz zerschlagener Nase. Zugeschwollenes Auge, Tritte in die Nieren, ach was, das macht doch nichts. Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Ein Privatdetektiv auch nicht. Diese Attitüde macht für mich den Charme solcher Geschichten aus.

Charme hat auch die Art, wie Jakob Arjouni die Geschichte erzählt. Sehr konzentriert und doch mit ein paar Anekdoten hier und da kommt ein perfektes Lesetempo zustande, auf gerade einmal 170 Seiten entsteht eine Geschichte, die man auf 400 Seiten auch nicht besser hätte erzählen können. Es ist einfach alles drin, alles dran. Ein Privatdetektivkrimi, hard-boiled wie man es aus den USA kennt, aber dabei doch ganz verwurzelt in dem, was die damals noch deutsch-deutsche Geschichte prägte. Ein Kriminalroman mit einem starken Zeitgeist.

Jakob Arjouni hat neben zahlreichen anderen Romanen insgesamt 5 Bände der Kemal Kayankaya-Reihe geschrieben, der letzte Band „Bruder Kemal“ erschien 2012. Der Autor verstarb 2013 und hinterlässt mit seinem Werk einen der wichtigsten Wegsteine der jüngeren, deutschsprachigen Kriminalliteratur.

Fazit:

Hier ist einfach alles stimmig, ein wunderbares Stück Kriminalliteratur! Der Privatdetektiv Kemal Kayankaya ist mit seinen 26 Jahren noch nicht ganz so abgefuckt wie manch andere Ermittler in diesem Genre, hat aber trotzdem die nötige Tiefe und die richtige Einstellung, um als Figur zu funktionieren und zu begeistern. Ein Krimi, den man lesen sollte, wenn man sich ein umfangreiches Bild von der jüngeren, deutschsprachigen (Krimi-)Literatur machen möchte.

Bewertung:
Stil: 5/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 5/5 | Figuren: 5/5 | Plot-Entwicklung: 5/5
Tempo: 5/5 | Tiefe: 5/5 | Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 5/5

Rezension von WortGestalt
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