Rezension

Ein wunderbares Buch, das mitten ins Herz trifft!

Lilly unter den Linden - Anne C. Voorhoeve

Lilly unter den Linden
von Anne Ch. Voorhoeve

Es gibt Bücher, die berichten vom inneren Widerstand in der DDR. Es gibt Bücher, die berichten von geglückten oder nicht geglückten Fluchten aus der DDR. Und es gibt „Lilly unter den Linden“, das Buch, das von einer Flucht IN die DDR erzählt.

Die Geschichte beginnt in der Gegenwart. Lilly hat gerade eine neue Stelle angetreten, auf einer Firmenfeier überkommt sie auf einmal das Heimweh zu ihrer Familie. Einem Kollegen erzählt sie ihre Lebensgeschichte und die beginnt dramatisch: ihre Mutter starb, als sie gerade mal 13 Jahre alt war an Krebs.

Andere Verwandte gab es keine – außer Lena und ihrer Familie. Lena ist Lillys Tante und wohnt in Jena, unerreichbar weit weg auf der anderen Seite der Mauer. Zur Beerdigung darf sie „rüber“ und Lilly und sie finden direkt einen Draht zueinander. Da das Hamburger Jugendamt jedoch findet, dass Lilly sehr gut in ihrem Internat und beim Lebensgefährten der Mutter aufgehoben ist, sieht es keinen Grund, Lena die Vormundschaft zu übertragen.

Also macht Lilly sich mit der Hilfe einiger Freunde selber auf den Weg in die DDR zu ihrer Familie…

„Lilly unter den Linden“ wurde mir als Jugendbuch verkauft. Ich finde jedoch, dass diese Bezeichnung nicht ganz zutreffend ist. Es steckt so voller Weisheiten und Lebenserfahrung, dass ich unnatürlich lange dafür gebraucht habe, dieses doch recht dünne Büchlein (286 Seiten) zu lesen, da ich kein Wort von dem verpassen wollte, was Lilly auf ihrer Reise alles lernt.

Lilly und Lena sind Figuren, die einem auf Anhieb sympathisch sind, deren Nöte und Ängste man ganz in sich aufnimmt und die man am Ende des Buches nur ungern wieder gehen lässt.

Eine süße Geschichte von Zusammenhalt, Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsmusik, die locker und leicht daherkommt, einen gefangen nimmt und einen mit einem Zitat der großartigen Lyrikerin Hilde Domin wieder in sein eigenes Leben entlässt:

„Man muss weggehen können und doch sein wie ein Baum. Als bliebe die Wurzel am Boden, als zöge die Landschaft und wir ständen fest…“

In diesem Buch geht es um Wurzeln und um ziehende Landschaften, aber auch ums Stehenbleiben, ums Ankommen. Eine Liebesgeschichte, gewidmet der Familie, eine Liebeserklärung an das Leben und an den Mut, der zum Leben dazugehört.