Rezension

** Ein Ziel: Rache! **

Verachtung - Jussi Adler-Olsen

Verachtung
von Jussi Adler-Olsen

Bewertet mit 5 Sternen

Bei „Verachtung“ handelt es sich mittlerweile um den vierten Fall aus der Reihe um das Sonderdezernat Q mit dem Ermittler Carl Morck und seinem Team, bestehend aus Assad und Rose. Zwar handelt es sich bei diesem Thriller natürlich um einen neuen Fall, allerdings werden Vorkommnisse aus der Vergangenheit aufgegriffen und Beziehungen der Charaktere untereinander vertieft, so dass es ratsam ist, wenn man die vorherigen Teile dieser Reihe kennt.

 

Ich muss zugeben, dass ich zunächst ein wenig skeptisch war, als ich merkte, dass es in diesem Buch Zeitsprünge gibt. Normalerweise finde ich Zeitsprünge schrecklich und teilweise verwirrend, aber ich muss sagen, dass mir diese bei „Verachtung“ sehr zusagten und die Geschichte keinesfalls undurchsichtig erschienen ließ. Im Grunde waren diese Zeitsprünge sogar das Besondere an diesem Thriller, denn es ist nicht selbstverständlich, dass die Spannung trotz Zeitsprüngen so hoch gehalten werden kann. Die Jahresangabe als Überschrift der einzelnen Kapitel weißt den Leser immer darauf hin, auf welche Zeit sich die Erzählungen gerade beziehen.

 

Die Kapitel aus den 50er Jahren beziehen sich auf das Leben der jungen Nete Hermansen und sind augenscheinlich sinnbildlich für die damals in Dänemark herrschenden Verhältnisse. Junge Mädchen, die schwanger wurden oder sich unsäglich verhielten, wurden in einer Anstalt auf einer Insel inhaftiert und notfalls zwangssterilisiert. Jussi Adler-Olsen schafft es hervorragend, den Leser zu schocken und zu fesseln, denn mit dem Hintergedanken, dass derartige Vorkommnisse wirklich an der Tagesordnung waren, liest sich dieser Thriller gleich ganz anders. Der Weg der Nete, von einem normalen Mädchen, zu einer Gefangenen auf dieser Insel und der schreckliche Alltag dort waren nicht nur interessant, sondern auch spannend zugleich. Hier wurden die Grundsteine für ihre Zukunft, bzw. für ihr weiteres Leben gelegt…in ihren frühen Lebensjahren und letztendlich hier auf der Insel lernte sie viele der Menschen kennen, die ihr Leben für immer zerstörten. Auf diese Vorkommnisse baut der ganze Thriller auf, so dass dieser Rückblick definitiv von Nöten ist.

 

Die Kapitel, die sich auf die 80er Jahre beziehen lassen den Leser an Netes späteren Leben teilhaben. Trotz der schrecklichen Kindheit und Jugend schaffte sie es zunächst, ein gutes, normales, sogar gehobenes Leben zu leben. Dieses wurde jedoch an nur einem Abend zunichte gemacht und nun hat Nete Hermansen nur noch ein Ziel: Die Personen, die ihr das Leben so zur Hölle machten und die für ihr Schicksal verantwortlich sind, sollen leiden und sterben. Nach und nach schmiedet sie einen nahezu perfekten Plan, um die Widersacher ihres Lebens in eine Falle zu locken. Die Erzählungen von der Entwicklung ihres Plans, bis hin zur detaillierten Durchführung sind spannend, raffiniert und gut durchdacht. Auch hier wurde man definitiv als Leser gefesselt und war gespannt, wie es nun weiter gehen würde.

 

Natürlich dürfen in einem Thriller über das Sonderdezernat Q die Erzählungen von Carl Morck und seinem Team nicht fehlen. Diese Kapitel liegen demnach natürlich in der Gegenwart. Nach und nach stellt sich für das Ermittlerteam heraus, dass es Verbindungen zwischen mehreren, damals verschwundenen Personen gegeben haben muss. Das Merkwürdige: Alle sind an ein und demselben Tag verschwunden. Doch was ist wirklich geschehen? Wo liegen die Verbindungen? Und wer ist für das Verschwinden dieser Leute verantwortlich? Die Ermittlungen bringen das Sonderdezernat Q zu der Insel Sprogo, die damals als Anstalt für Mädchen galt, die sich zu früh oder zu oft Männern zuwandten. Auch scheint es Verbindungen zu Curt Wad, einem Arzt im Ruhestand und politisch aktivem Mann mit krassen Ansichten zu geben. Er spricht sich auch heute noch für die Zwangsterilisation von geistig oder körperlich beeinträchtigten Personen, von Ausländern, die in Dänemark leben, von Sozialhilfeempfängern und von Prostituierten aus, ohne einen Hehl darum zu machen. Irgendeine Verbindung muss es zwischen Curt Wad und Nete Hermansen geben…doch was für eine? Das Ermittlerteam begibt sich wieder einmal selbst in größte Gefahr, denn das Schnüffeln in der Vergangenheit und das Aufdecken von Geheimnissen gefallen vielen Leuten nicht sonderlich.

 

Ein abwechslungsreicher, unterhaltsamer, spannender und interessanter Thriller zugleich, der mir richtig gut gefallen hat. Das Leben der Nete war hart und ungerecht und sie hat allen Grund um Rache zu nehmen. Natürlich kann man ihr Handeln als Leser nicht für gut heißen, jedoch kann man ihre Beweggründe durchaus nachvollziehen. Auch das spannende Ende und die unvorhersehbare Wendung macht „Verachtung“ zu einem genialen Thriller, wie ich finde. Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Teil der Reihe um Carl Morck und seinem Team.