Rezension

Eine eindrückliche Zusammenfassung über die Behandlung der Frau in der Medizin

Die kranke Frau -

Die kranke Frau
von Elinor Cleghorn

Bewertet mit 5 Sternen

"Die Hysterie subsummierte alles, was männliche Ärzte und Gelehrte darunter verstehen wollten, und das einzige klare diagnostische Kriterium war das weibliche Geschlecht."

Die promovierte Kulturhistorikerin Elinor Cleghorn gibt in diesem Buch einen Überblick über die Behandlung von Frauen in der Medizin, vom antiken Griechenland bis heute. Manches war mir bekannt, vieles hat mich erschüttert. Sie behandelt unter anderem die "Hysterie", die seit jeher in der Medizin als Diagnose vorhanden war - und deren Therapie teils bis hin zur Lobotomie führte. Viele Erkrankungen, die überwiegend Frauen betreffen, wurden unter Hysterie subsummiert. Auf diese geht Cleghorn zum Teil mit eindrücklichen Beispielen ein. Sie behandelt die Anästhesie in der Geburtshilfe, die Erfindung und Bedeutung der Pille, die Zulassung von Frauen zum Medizinstudium, die Behandlung von Frauen in der Psychiatrie, die unkritische Anwendung von Beruhigungsmitteln und Östrogenpräparaten bei Hausfrauen und vieles mehr. Sie endet mit ihrer eigenen Geschichte: nach jahrelangen unspezifischen Symptomen, die nicht ernst genommen wurden, wurde bei Cleghorn schliesslich systemischer Lupus erythematodes diagnostiziert. Nicht ohne dass bereits Komplikationen wie ein AV Block bei ihrem zweiten Kind und eine Perikarditis mit Perikarderguss auftraten.

"Die Erfindung der Pille bedeutete für die Frauen, für ihren Körper und ihr Leben nichts weniger als eine Revolution. Sie war aber zugleich ein Experiment, das auf dem Verstoß gegen ethische Grundsätze und Informationsunterdrückung beruhte."

"Die kranke Frau" ist keine leichte Kost, und auch teilweise sehr dicht zu lesen, jedoch sehr, sehr lohnenswert. Für mich als Ärztin war es auch interessant, eine andere Seite von bekannten Ärzte der Geschichte zu sehen, die so im Studium nie behandelt wurde. Es ist Zeit, dass Mediziner - sowohl Frauen als auch Männer - sich mit dieser Geschichte befassen und aktiv dagegenwirken, weiter Geschlechterstereotypen in der Medizin zu verbreiten. Es ist Zeit, dass der Paternalismus in der Medizin Geschichte wird. Dieses Buch bzw. diese Themen sollte im Medizinstudium behandelt werden und von Ärzten gelesen werden. Eine klare Leseempfehlung!