Rezension

Eine Entdeckung!

Cocktails - Pamela Moore

Cocktails
von Pamela Moore

Auf den ersten Blick könnte das Setting fast einem John-Green-Roman entsprungen sein: Courtney ist 15 und langweilt sich, wie sich wohl nur Teenager langweilen können. Sie sitzt in ihrer schicken Ostküsten-Eliteschule und verbringt ihren Tag mit Tagträumereien und dezenten Regelverstößen. Sie ist Außenseiterin und kommt nur schwer mit Gleichaltrigen zurecht.Doch bei diesem Buch handelt es sich nicht um einen typischen Young-Adult-Roman, sondern um ein wiederentdecktes Juwel der 50er Jahre. Einem Roman, der in seiner Intensität und Direktheit, seiner schonungslosen Verletzlichkeit und Intelligenz unbedingt mit Romanen wie Die Glasglocke und Fänger im Roggen in einem Atemzug genannt werden sollte.

Sollte… wird er aber leider nicht, denn das Werk einer damals 18-jährigen, unbekannten Autorin sorgte seinerzeit zwar für einen handfesten Skandal, wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation, doch genauso schnell verschwand das Buch auch wieder aus dem kollektiven Gedächtnis. Eine junge, ungemein talentierte Frau, wird innerhalb kürzester Zeit zum Star, verfasst noch vier weitere Romane und wählt dann Hemingways Gewehrmethode für den Freitod. Da war sie 26. Woran es liegt, dass die Begeisterung nicht bis in die heutige Zeit überdauern konnte, kann ich nicht beantworten. Doch vielleicht ist die auflebende Begeisterung für die Lost Generation nicht ganz unschuldig daran, dass nun auch dieses Buch erneute Aufmerksamkeit bekommt. Wünschen tut man es ihr.
Thematisch ist die Geschichte um die fast 16-jährige Courtney, ein gelangweiltes und nach Aufmerksamkeit heischendes Mädchen aus einer Scheidungsfamilie, sehr gut in der Umgebung von Fitzgerald und Co. aufgehoben. Die Tochter einer ewig feiernden und stets mit diversen Ex-Männern im Clinch liegenden Schauspielerin, musste früh erwachsen werden. Nachdem sie ihre Mutter endlich überzeugt hat, dass das Ostküsten-Eliteinternat nicht der richtige Ort für sie ist, gerät das Mädchen schnell von einer alkoholgeschwängerten Gesellschaft zur nächsten. Denn ihrer Mutter gelingt es nicht, sich in die Rolle einer Erziehungsberechtigten hineinzufinden. Stattdessen nimmt sie Courtney mit in die von Cocktails, Zigaretten und Geltungssucht beherrschte Welt.
Moore_Cocktails_Piper_CoverZunächst sind da die Schauspielkollegen ihrer Mutter – ebenfalls alle ex- und egozentrisch, stets pleite und auf der Suche nach Selbstbestätigung. Hier lässt Courtney endgültig ihre Kindheit und Unschuld hinter sich. So ist es nicht verwunderlich, dass sie großen Eindruck auf Gleichaltrige macht, als sie bald danach auf die nächste Generation von selbstzerstörerischem Feiervolk trifft. Die jungen Elitecollege-Abbrecher, die sich in ihren Exzessen und Zynismus suhlen, wie sie es von ihren dauerfeiernden Eltern vorgelebt bekommen haben, nehmen Courtney schnell bei sich auf und machen ihren Alltag zu einem einzigen Rausch.

Während der Lektüre musste ich an Scottie, die Tochter von Zelda und F.Scott Fitzgerald denken. An John „Bumby“ Hemingway und all die anderen Kinder, die ihren Eltern bei der Selbstzerstörung und den ewigen Parties zuschauen konnten. Von klein auf sahen sie die Scherben, die Streitereien und die ewige Suche nach Halt bei ihren Eltern. Was müssen solche Eltern wohl in ihren Kindern bewirkt haben? Es ist, als würde Pamela Moore genau diesen verlorenen Kindern der Lost Generation mit ihrem ungemein unterhaltsamen und glamourösen Buch ein Denkmal setzen und dieser Frage nachgehen.
Für mich ist dieses Buch gleichzeitig unterhaltsamer, durch den leicht ironischen Ton zuglänglicher und weniger verstörend als zum Beispiel Die Glasglocke.

Fazit

In Pamela Moores Cocktails verschmilzt Young-Adult mit Weltliteratur. Ein unglaublich kraftvolles und elegantes Buch. Es verdient einen Ehrenplatz zwischen Plath, Hemingway und Salinger.