Rezension

Eine fesselnde Dystopie mit einem düsteren Thema

The Program - Suzanne Young

The Program
von Suzanne Young

Bewertet mit 4 Sternen

Eigentlich bin ich kein großer Dystopie-Fan. Das heißt, ich habe schon mehrere gelesen, aber es gab bisher nur eine, die mich wirklich begeistern konnte: "The Program". Im Mittelpunkt der Dilogie steht eine Epidemie, die sich immer weiter unter den Jugendlichen auf der ganzen Welt verbreitet - Depressionen und in Folge dessen eine alarmierende Anzahl an Selbstmorden. Immer mehr junge Erwachsene wählen diesen letzten Ausweg. Als traditionelle Therapien nicht mehr anschlagen und die Massen an Patienten einfach nicht mehr zu bewältigen sind, lässt die Regierung eine neue Art der Behandlung entwickeln: das Programm.

 

Sobald ein Jugendlicher Anzeichen einer Depression zeigt, wird er abgeholt und in eine der Institutionen der Organisation gebracht. Was genau hinter den Mauern der Krankenhäuser passiert, weiß niemand, doch wenn die Patienten sie wieder verlassen, sind jegliche negativen Gefühle in ihnen verschwunden. Allerdings nicht nur das, denn die Ärzte nehmen ihnen nicht nur ihre Gefühle, sondern auch ihre Erinnerungen - am Ende der Behandlung sind die Jugendlichen nicht mehr als leere Gefäße.

 

I still try to search my mind for the story of the ring, but I know it's gone. I've lost a piece of James and it's so devastating that I have to stare at my reflection for nearly a minute before I can pull myself together.
- Suzanne Young - The Program, Seite 164

 

Für die 17-jährige Sloane, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, gibt es keine schlimmere Vorstellung, als genau das zu erleben. Nachdem ihr Bruder Selbstmord begangen hat, gilt sie jedoch als besonders gefährdet und wird daher genauestens beobachtet. Von ihren Eltern, von ihren Mitschülern, von ihren Lehrern. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als Tag für Tag eine Maske aufzusetzen und ihre wahren Gefühle und Gedanken für sich zu behalten. In der derzeitigen Situation reicht schon ein minimales Anzeichen von Schwäche, um von anderen gemeldet zu werden, jeder kämpft mittlerweile für sich selber.

 

Die einzige Person, der Sloane bedingungslos vertraut, ist ihr Freund James. Nur in seiner Gegenwart erlaubt sie sich, ihr wahres Gesicht zu zeigen. Ein weiterer Vertrauter ist Miller, dessen Freundin Lacey - Solanes beste Freundin - vor Kurzem ins <i>program</i> geschickt wurde. Seitdem geht es ihm immer schlechter und so dauert es nicht lange, bis auch er infiziert wird. Bevor ihn die Agenten jedoch in die Hände kriegen, bringt er sich mit einer weit verbreiteten Droge namens QuikDeath um. Nach diesem Verlust fällt es James immer schwerer, sich zusammenzureißen. Selbst Sloane schafft es nicht, ihn auf andere Gedanken zu bringen, sie kann nur tatenlos zusehen, wie ihr Freund von Agenten abgeholt wird. Und damit fängt ihr eigener Kampf gegen die Depression an - den sie verliert.

 

And when the rises again, I look over at him hopefully. He's on his back, staring into nothing, and I know that he's lost. And so am I.
- Suzanne Young - The Program, Seite 90

 

Was mich am meisten an dieses Buch gefesselt hat, ist die Intensität, die es ausstrahlt. Es hat mich einfach von Seite Eins an vollkommen eingenommen. Die Stimmung ist durch das Thema natürlich sehr düster, aber irgendwie auch greifbar - die Verzweiflung von Sloane und James, die allgegenwärtige Angst, im program zu landen; das alles hat Suzanne Young dermaßen gut be- bzw. geschrieben, dass es sich in einem festsetzt. Ich glaube, dass das für Menschen, die selber mit Depressionen zu kämpfen haben und/oder sehr empathisch sind, ein echtes Problem darstellen könnte, ihr solltet euch also gut überlegen, ob ich das Buch lesen möchtet.

 

Für mich persönlich hat aber genau das "The Program" zu einer Geschichte gemacht, die ich nicht weg legen konnte. Ich war vollkommen vertieft in der Welt der Jugendlichen. Es ist ein wenig schwer zu beschreiben, was das Buch mit mir gemacht hat... aber selten hat mich etwas so mitgerissen und berührt.

Dabei ist der Plot gar nicht groß actionlastig oder spannend im nervenzerreißenden Sinne. Im ersten Teil des Buches geht diese Anziehungskraft vorrangig von den Charakteren aus. Vor allem die Liebe zwischen Sloane und James hat es mir angetan. Ich bin ja kein großer Fan von Liebesgeschichten, aber diese hier ist so anders, dass ich an keiner Stelle als nervig oder überflüssig empfand. Viel mehr hat mich die Verzweiflung, mit der die beiden Jugendlichen sich aneinander klammern, ergriffen und gefesselt. Im Grunde wollen sie nur eins: überleben. Sie kämpfen gegen ihre eigenen Dämonen, genauso wie gegen die des anderen und müssen zudem tagtäglich aufpassen, ja die richtigen Dinge zu sagen, um nicht weg geschickt zu werden.

 

Im zweiten Teil erfährt man dann etwas mehr über das program, denn es kommt, wie es kommen muss: Sloane wird eingewiesen. Es stellt sich jedoch heraus, dass sie kein einfacher Patient sein wird. Sie wehrt sich von Anfang an mit Händen und Füßen gegen die Behandlung, sie kämpft, sie schreit - leider jedoch erfolglos. Also begleitet der Leser sie dabei, wie sie sich langsam aber sicher in eine dieser leeren Hüllen verwandelt, die sie mehr verabscheut als alles andere. Nur dass sie sich eben nicht mehr daran erinnert, dass sie niemals so werden wollte.

 

It's the question we often ask ourselves: Would we commit suicide without The Program, or does it help drive us there?
- Suzanne Young - The Program, Seite 68

 

Doch mit der Einlieferung und Behandlung im program ist Sloanes Geschichte natürlich noch nicht zu Ende. Allerdings kann ich an dieser Stelle nichts dazu sagen, ohne euch zu spoilern. Nur so viel kann ich euch verraten: Sloane schließt der Therapie erfolgreich ab und wird zurück in die Obhut ihrer Eltern gegeben. Sie versuchen, dem Mädchen ein normales neues Leben zu ermöglichen, aber irgendetwas nagt an ihr...

 

--- Fazit ---

Mit "The Program" hat Suzanne Young einen tollen Auftakt einer tollen Dilogie geschrieben, der mich von vorne bis hinten fesseln konnte. Das Buch behandelt ein trauriges Thema auf sehr intensive Weise und besticht dabei vor allem durch die Atmosphäre und gut gezeichnete Charaktere. Für Fans von Dystopien definitiv eine Empfehlung!