Rezension

Eine spannende Geschichte, die für mich aber nicht ganz rund ist

Die Bibliothek der Schwarzen Magie 1 - Christopher Nuttall

Die Bibliothek der Schwarzen Magie 1
von Christopher Nuttall

Bewertet mit 3.5 Sternen

Diese Rezension erschien ursprünglich auf kopf.kino

// Was passiert //

Elaines Leben ist nicht gerade etwas, um das man sie beneidet. Als Baby in einem Waisenhaus abgegeben, hat sie ihr Leben in eben solchen verbracht, ehe sie auf die “Schule der Einzigartigen” gekommen ist. Dank ihrer Herkunft und ihrer leider eher weniger intensiv ausgeprägten magischen Fähigkeiten muss sie sich nicht nur mit dem Unterricht herum schlagen, sondern auch mit eingebildeten Tussis, die sie tagein, tagaus mobben. Mittlerweile ist Elaine Anfang Zwanzig, lebt zusammen mit ihrer Freundin Daria in einer herunter gekommenen Wohnung und arbeitet als Mädchen für alles in der “Großen Bibliothek”. Doch sie hat sich damit arrangiert und ist, trotz der Geldsorgen, weitestgehend zufrieden mit ihrem Leben.
Zumindest bis zu dem Tag, an dem sie den Nachlass eines verstorbenen Magiers auspackt und dank eines in einem Buch versteckten Fluches das komplette Wissen der Bücherei in sich aufnimmt. Und damit ist sie eigentlich eine Kandidatin für den Scheiterhaufen. Also versucht Elaine, ihr Geheimnis für sich zu behalten und heraus zu finden, warum gerade sie von dem Fluch getroffen wurde

// Was ich denke //

Als ich das Buch aufgeschlagen habe, wusste ich nicht so recht, was mich erwartete bzw. was ich erwarten sollte. Es war mein erster Fantasy-Roman überhaupt und ich hatte ein wenig Angst, dass es schwer für mich werden würde, in die Welt, die rund um die Goldene Stadt gesponnen ist, hineinzufinden. Tatsächlich lief das aber einfacher als gedacht, was ganz sicher daran lag, dass sie sich im Großen und Ganze wenig von unserer Realität unterscheidet. Es gibt Fernzüge, es gibt Tages- und Fachzeitungen, es gibt Theatervorstellungen. Die Grundstruktur der Gesellschaft besteht aus armen Menschen, reichen Herrschern, korrupten Politikern und einem Staatsoberhaupt. Nur eben alles mit einer Prise Magie… okay, es ist eher eine gute Hand voll, aber ihr versteht schon, was ich meine.
Elaine lebt zusammen mit ihrer besten Freundin Daria in ärmlichen Verhältnissen, womit sie sich allerdings abgefunden hat. Trotz ihrer engen Freundschaft, die daraus resultiert, dass sie beide Aussenseiter sind, könnten die beiden Frauen nicht unterschiedlicher sein. Daria ist sehr lebensfroh, bringt gerne mal einen One Night Stand mit nach Hause und achtet auf Make-Up und Kleidung, während Elaine schon bei der Erwähnung des Wortes ‘Sex’ rot anläuft und mit dem Lebensstil ihrer Freundin nichts anfangen kann. Und an der Stelle kommen wir direkt mal zum ersten Kritikpunkt, den ich an Die Wissende habe: die Präsenz von sexuellen Themen im Buch.
Zum einen muss ich sagen, dass ich Elaines Prüderie stellenweise ein wenig zu extrem empfand. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass sie – vielleicht auch aufgrund ihres bisherigen Lebens – keine Erfahrungen mit dem Thema hat und etwas unsicher reagiert, aber diese ewige Erröten ist irgendwann einfach nervig. Im Gegensatz ging es mir aber auch ziemlich auf den Sack, dass Daria anscheinend an nichts anderes denken kann und der Meinung ist, dass ihre Freundin nur einfach mal richtig durchgenommen werden müsste, um glücklicher zu werden. Versteht mich nicht falsch, ich habe überhaupt kein Problem mit diesem Thema, aber hier wirkte irgendwie teilweise einfach komplett fehl am Platz.

Das beziehe ich auch ein wenig auf die gebrauchte Sprache. Generell kann man sagen, dass sich der Schreibstil ein wenig am Mittelalter orientiert, das heißt, die Menschen sprechen sich mit “Euch” an und gesamt wirkt alles ein wenig ‘gehobener’. Und dann kommen da Dialoge (meisten ausgehend von Daria), wo nur so mit Worten wie “Schwanz” um sich geschmissen werden. Wie gesagt: absolut kein Problem für mich persönlich, es passt nur so überhaupt nicht zum Rest. Natürlich sprechen Freundinnen miteinander über solche Themen, logisch, aber in Zusammenhang mit dieser Welt erscheint es mir einfach zu derbe. Vielleicht bin das wirklich nur ich, aber es hatmgestört.
Davon abgesehen hat mir der Schreibstil aber wirklich gut gefallen. Um nicht zu sagen: er ist genauso, wie ich es mir bei einem Fantasy-Buch vorgestellt habe. Christopher Nuttall schreibt sehr flüssig, so dass man die Geschichte locker weg lesen kann. Tatsächlich habe ich für den 480-Seite-Wälzer (ja, für mich ist das schon ein Wälzer) weniger Zeit gebraucht als für vergleichbar dicke Bücher.

Das liegt zu einem bestimmten Grad aber sicher auch an der Geschichte. Ich kann zwar nicht behaupten, dass die mich von Anfang bis Ende begeistert hat, aber doch zum größten Teil. Irgendwie erging es mir beim Plot genauso wie mit dem Schreibstil: bei manchen Passagen habe ich mich einfach gefragt, was genau das soll. Oder anders gesagt: die große Story rund um den Fluch ist super, spannend und interessant, fesselnd. Aber dann sind da so Punkte/Szenen, die für mich einfach nicht so ganz ins Konzept passen bzw. die für mich einfach keinen Mehrwert darstellen. Zum Beispiel der Love Interest von Elaine. Ja, das Mädel will unbedingt einen Freund, aber für meinen Geschmack entwickelt sich das einfach viel zu schnell, es wirkt (zu) gewollt. Eben noch schüchterne Jungfrau und plötzlich den Drang, aufs Ganze zu gehen? Es kann natürlich gut sein, dass das als Nebenwirkung des Fluches bzw. dessen Beeinträchtigung von Elaines Wesen gedacht ist, für mich ist es aber einfach nicht ganz rund.

Wie man vielleicht merkt, bin ich ein wenig hin und her gerissen in meiner Meinung. Zum einen war das Buch wirklich gut und hat mir gefallen, aber diese ganzen Kleinigkeiten haben das Lesevergnügen irgendwie getrübt. Dafür kann ich zumindest sagen, dass ich die Charaktere an sich mochte. Mir waren sowohl Elaine als auch Daria sympathisch, mein Favorit dürfte aber Inquestor Zorn sein. Dieser heftet sich eigentlich an Elaines Fersehen, nachdem er merkt, dass etwas mit ihr nicht stimmt, wird mit der Zeit aber zum Verbündeten. Ich mochte, dass man zwischendurch immer wieder merkte, dass hinter der harten Fassade des Staatsdieners ein mitfühlender Mensch steckt.

// Schlusswort //

Die Wissende, der erste Band der Bibliothek der schwarzen Magie, ist ein guter Fantasy-Roman mit einer interessanten und innovativen Idee, die die Protagonistin in ein spannendes Abenteuer verwickelt. Es gab einige Kleinigkeiten, die für mich nicht ganz stimmig waren, weshalb ich leider nicht mehr als 3.5 (mit einer Tendenz zu 4) Sterne vergeben mag, aber für Fans des Fanatsy-Genres ist das Buch auf jeden Fall einen Blick wert.