Rezension

eines meiner Highlights 2020

Asklepios - Charlotte Charonne

Asklepios
von Charlotte Charonne

Die fünfjährige Emma wird aus dem Garten ihrer Großmutter entführt. Und obwohl nicht viel Raum gewesen ist, die beiden dem Leser nahezubringen, hat es Charlotte Charonne geschafft, mir mit der Schilderung die Eingeweide zu durchwühlen und mich tief zu triggern.

Emma wird zwei Wochen später missbraucht und ermordet aufgefunden. Ihr Peiniger, Georg Schwarz, wird gefasst und verurteilt.

Die Geschichte setzt sich 15 Jahre später fort. Die Ehe von Emmas Eltern ist zerbrochen. Georg Schwarz hat seine Haftstrafe verbüßt und wird von Asklepios entführt. Asklepios hat sich vorgenommen, dafür zu sorgen, dass Schwarz seinen Trieben nicht mehr nachgehen kann. Denn Emma war, wie sich herausstellt, nicht sein einziges Opfer. Und so beginnt für Schwarz ein Martyrium, in dessen Verlauf ihm diverse Operationen bevorstehen, die ihm Körperteile und Sinne rauben.

Währenddessen versuchen Rubina Hiller und Simon Peick, Ruby und Spike, den scheinbar abgängigen Ex-Sträfling, wieder zu finden, ohne zunächst zu wissen, dass er selbst Opfer eines Verbrechens wurde. Erst allmählich erfassen sie das Ausmaß dieses Falles, und die Zahl der Verdächtigen nimmt eher zu als ab.

Im Verlaufe der Story wechseln die Perspektiven zwischen den Ermittlern und Asklepios. Gerade die Passagen, in denen Georg Schwarz seine Folter erleidet, sind besonders fesselnd. Denn dadurch, dass Asklepios hoch professionell und scheinbar emotionslos zu Werke geht, fühlt man mit dem Opfer mit, das man ja nach seinem moralischen Wertekompass eher hassen müsste. Doch es ist nahezu beängstigend, sich selbst dabei zu beobachten, wie vorher scharf gezeichnete Grenzen verschwimmen können. Zumindest mir erging es so. Und dass Charlotte Charonne solche Effekte erzielt, ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln, macht das Ganze noch bemerkenswerter.

Während sich in diesen Sequenzen die Spannung auf ein Höchstmaß schraubt, kommt diese bei den Ermittlungen erst allmählich in Fahrt, bleibt dann aber konstant hoch. Angesichts der psychologischen Herausforderungen, die einem Asklepios´ Aktionen abverlangt, sind diese Tempowechsel aus meiner Sicht pointiert gesetzt.

Gelegentlich begegnen dem Leser ungewohnte Sprachblüten, die zwar eher ungewöhnlich, aber dennoch treffend erscheinen. Ich vermute, das ist dem langen Aufenthalt in Asien geschuldet, und fällt für mich absolut nicht negativ ins Gewicht.

Langer Rede, kurzer Sinn: „ASKLEPIOS“ gehört für mich in die Kategorie der Bücher, die ich lesen will, um zu erfahren, wie es ausgeht – und die ich nicht auslesen will, weil es dann zu Ende ist; also eines meiner Highlights dieses Jahres!