Rezension

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Erfolgreich zusammengeflickt

Das Leben ist kein Flickenteppich - Kristan Higgins

Das Leben ist kein Flickenteppich
von Kristan Higgins

Bewertet mit 5 Sternen

Ich war vorgewarnt. Dass dieses Buch kein locker leichter Frauenroman ist. Es werden eine Menge ernste Themen angesprochen, in mehr oder weniger großem Ausmaß: Mobbing, Verlust des Vaters, Essstörungen, Autounfall, tätlicher Angriff, Alkoholismus, Drogen.
Trotzdem hinterlässt die Geschichte von Nora eine durchaus positive Grundstimmung. Denn Nora hat zwar die meisten der obengenannten Dinge am eigenen Körper erlebt, aber sie ist so eine wahnsinnig starke Frau, dass sie sich nicht unterkriegen lässt.

Das Starksein musste sie schon als junges Mädchen lernen. Im Alter von 10 Jahren verlässt ihr über alles geliebter Vater urplötzlich und ohne jede Erklärung Frau und Kinder, obwohl auch er seine 2 Töchter abgöttisch liebte und jeden Tag mit ihnen die tollsten Abenteuer erlebte. Noras jüngere Schwester Lily zieht sich daraufhin in sich zurück, so dass Nora auf einen Schlag die beiden Menschen verliert, die sie am meisten liebte. Ihren Frust futtert sie buchstäblich in sich hinein, und vergräbt sich in ihren Schulbüchern. Täglich muss sie die Hänseleien ihrer Mitschüler ertragen, Freunde hat sie gar keine. Aber sie erträgt das alles, mit dem festen Ziel im Auge später aufs College und die Uni gehen zu können.

Dort blüht sie auf, lernt später den tollsten Mann von Boston kennen und sie verbringen einige glückliche Monate. Doch auch jetzt muss sie immer noch stark sein, besonders nach dem 'großen bösen Vorfall', als ihre Welt plötzlich nicht mehr bunt sondern nur mehr grau ist, zwingt sie sich zu einer positiven Einstellung. Bis sie dann von einem Laster angefahren wird, und ihr Freund an ihrem Krankenbett Schluss macht und schon mit der nächsten flirtet. Körperlich und seelisch tief verletzt macht sie sich auf in die Heimat, wo noch nicht mal ihre Mutter sie haben will - geschweige denn die anderen Bewohner der kleinen Insel. Und doch hält sie ihren Kopf weit erhoben, beißt sich durch, gibt nicht auf. Vor allem nicht bei ihrer Nichte Poe, die - wie es sich für einen 15jährigen Teenager gehört - einfach nur genervt von der ganzen Welt und ganz besonders von ihrer Tante ist. 

Ich bewundere Nora wirklich für ihr Durchhaltevermögen auch in schwierigen Situationen. Wie sie zB ihren Erzfeinden aus der Schulzeit entgegen tritt. Ich wäre spätestens bei Teeny Fletcher ausgezuckt, aber sie reagiert einfach nur cool! Ich weiß auch nicht, ob ich bei Poe so geduldig und ausdauernd gewesen wäre. Auch ihre Stärke Bobby gegenüber ist ebenfalls bewundernswert, ich hätte seinem Drängen nach einer 2. Chance wohl nachgegeben, wo sie ihn doch vorher in den allerhöchsten Tönen lobt.

Eine potentielle neue Liebe steht für Nora aber auch gar nicht im Vordergrund, darauf ist sie gar nicht so erpicht. Und das gefiel mir recht gut, dass es im Buch gar nicht um eine (neue? oder doch alte?) Romanze geht sondern darum wie Nora ihr Leben wieder auf die Reihe kriegt.
~~~ACHTUNG: Kleiner Spoiler:~~~
Auch dass der Himmel nicht voller Geigen ist, als sie nach langer Zeit mal wieder geküsst wird, fand ich sehr gut. Eine sehr willkommene Abwechslung von den sonstigen Büchern dieser Art, wo dann an dieser Stelle immer die Welt still steht und sich die Protagonisten wie neugeboren fühlen, oder ...[bitte fügen Sie hier eine kitschige Beschreibung ihrer Wahl ein]...
~~~Spoiler Ende~~~

Und das Ganze ist so wunderbar geschrieben (und vor allem auch übersetzt worden!), oftmals mit einem kleinen Anflug von Humor (wenn sie zB manch andere Inselbewohner beschreibt, oder reden lässt), der genau mein Ding ist. Xiaowen fand ich Spitze!
Ich habe vor einiger Zeit schon ein Buch von Kristan Higgins gelesen, das ich toll fand. Das war auch der Grund, warum ich zu diesem Buch griff. Die Kurzbeschreibung allein hätte mich wohl nicht überzeugt. Umso froher bin ich, dass ich das Buch schließlich doch gelesen habe!