Rezension

Erschreckend ehrliche Worte über das Mutter werden und Mutter sein

Einschnitt - Elisa Albert

Einschnitt
von Elisa Albert

Der Klappentext dieses Buches hat mich sofort angesprochen. Als Mutter habe ich keine Lust das 100. Buch über das angebliche wunderschöne Erlebnis einer Geburt und der Zeit danach zu lesen. Denn Fakt ist: Nicht jede Geburt ist wunderschön. Der Prozess des Gebärens per se nicht und es gibt sicher eine Vielzahl von Müttern, die dieses Leid auch nicht vergessen wenn ihr Wonneproppen endlich geschlüpft ist. Eine Geburt kann manchmal auch nicht nur nicht schön, sondern regelrecht traumatisch sein und die Zeit danach einfach nur kräftezehrend. Und genau das ist es, worüber Elisa Albert schreibt.

Wer jetzt denkt „Schon wieder ein Buch über regretting motherhood“, dem sei gesagt: Nein, hier geht es nicht um eine Protagonistin, die ihre Mutterschaft bereut, sondern eine, die mit dem Erlebnis der Geburt und den Anforderungen an moderne Mütter überfordert ist – Stichwort „postnatale Depression“. Ari, so heißt die Mutter eines einjährigen Sohnes und Lebensgefährtin eines etwas älteren Professors wird durch eine Kaiser(schnitt)geburt so traumatisiert, dass sie direkt in eine postnatale Depression schlittert.

In einem zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftigen Schreibstil, der sich durch viele kurze Sätze, die manchmal auch keine sind, kennzeichnet, schildert sie ihren Alltag mit Kleinkind und ihre Erlebnisse während und nach der Geburt ihres Sohnes.  Dabei nimmt sie – wie das obige Zitat meines Erachtens gut verdeutlicht – kein Blatt vor den Mund. Ari ist oft ziemlich vulgär, was manchmal witzig, aber manchmal auch für mich zu viel war. Fakt ist allerdings auch: Sie trifft den Nagel auf den Kopf. Aris Gedanken über das Gebären und ihre Mutterrolle prasseln ungefiltert auf den Leser ein, was manchen schockieren mag, weil ihre Worte eben nicht „bereinigt“ wurden von Dingen, die man doch so nicht sagen kann. Nicht jede Mutter hakt die Geburt eines Kindes so leicht als notwendiges Übel ab. Und nicht jede Mutter wird danach von Glücksgefühlen durchströmt. Gerade weil ich mit postnatalen Depressionen bisher zum Glück keine Berührungspunkte hatte, fand ich Elisa Alberts Blickwinkel und ehrlichen Offenbarungen unheimlich interessant. Und oft habe ich mich auch in Ari wiedergefunden – diese Hilflosigkeit in den ersten Wochen, die „klugen Tipps“ der anderen, die Erschöpfung und auf der anderen Seite ein kleines Bündel, zu dem die Liebe jeden Tag weiterwächst und so anders ist als all das was man bisher für Liebe hielt.

Der etwas anstrengende Schreibstil wird durch einen herrlichen Sarkasmus der Protagonistin kompensiert, der so erfrischend und unterhaltsam ist, dass man über den nicht wirklich vorhandenen Lesefluss hinweg sehen kann.

Mein Fazit:

Elisa Albert überzeugt mit „Einschnitt“ durch einen erfrischend ehrlichen und sarkastischen Blick auf das Muttersein, hebt sich damit erheblichen von den bisherigen zwei Lagern der „Mütter-Literatur“ („Muttersein ist das Großartigste auf der Welt“ auf der einen Seite, „regretting motherhood“ auf der anderen) ab. Der gewöhnungsbedürftige Schreibstil und die oft sehr vulgäre Wortwahl machen diesen Roman nicht gerade zu einem Lesevergnügen, aber die ehrlichen Worte der Protagonistin machen ihn definitiv zu einer unterhaltsamen Offenbarung.