Rezension

Erwachsenwerden wider Willen

Freudenberg -

Freudenberg
von Carl-Christian Elze

Bewertet mit 3.5 Sternen

Vater Freudenberg hatte sich schon immer über seine phlegmatische Frau aufregen können, die den ebenso phlegmatischen Sohn aufzog. So entscheidet der Alte für den 17jährigen „Freudenberg“ junior, dass er nach der Schule Metallarbeiter wie der Vater zu werden hat. Zuvor fahren Eltern und Sohn noch gemeinsam an die polnische Ostseeküste im Raum Wollin in Urlaub. Was die Freudenbergs mit der Gegend verbindet, vor allem der Sohn, bleibt vage. Für einen fast Erwachsenen, der am liebsten seine Ruhe hätte, wären sicher andere Urlaubsideen denkbar als ein gemeinsamer Urlaub mit den Eltern. Als Freudenberg am Strand einen toten polnischen Jugendlichen findet, scheint er einem Zwillingsbruder gegenüberzustehen. Er tauscht mit dem Toten die Kleidung, taucht mit dessen Pass unter, schleicht sich jedoch nach wenigen Tagen wieder in sein altes Leben im Hotel Mama zurück. Wie ein deutscher Hikikomori residiert er im Keller seines Elternhauses, bekommt regelmäßig Essen serviert und taucht in die Bücher seiner Kindheit ein. Doch schon bald steht Maik in der Metallfabrik an der Bohrmaschine. Bohrkopf hoch, Bohrkopf runter – Maik hat viel Zeit gedanklich in seiner Zwillingsidentität durch die Blaubeerwälder um Wollin zu streifen. Erst der Schluss gibt die kunstvolle Verschachtelung von Rahmenhandlungen preis.

Carl-Christian Elzes Erwachsener wider Willen wirkt durch seine Schüchternheit lange farblos. Was mich als Leserin interessieren würde, muss ich dem Sonderling förmlich in einzelnen Wörtern entreißen. Maik Freudenberg scheint eine verborgene zweite Identität zu haben, seine Familie könnte im Spagat zwischen zwei Kulturen leben, auch der Graben zwischen Schule und Berufsleben könnte hier thematisiert werden. Der Interpretationsspielraum ist groß …