Rezension

Erwachsenwerden zwischen Kriegsruinen und Wiederaufbau

Sie waren nie weg -

Sie waren nie weg
von Paul Kohl

Bewertet mit 5 Sternen

1951 steht Deutschland am Beginn der Wirtschaftswunderjahre. In diesem Roman werden einige fiktive Lebensgeschichten mit den damaligen historischen Ereignissen verwoben dargestellt.

Hauptperson ist der Heranwachsende Ludwig, Jahrgang 1937 (wie der Autor), der mit seinen Eltern von Gauting (Bayern) nach Opladen (NRW) umzieht. Er erlebt alte und junge Lehrer, Mitschüler, die bei Altnazis oder Kommunisten aufwachsen, und Polizisten, die ihre Vergangenheit vertuschen, aber auch Verbrechen, die begangen werden, um Nazis zu decken.

Die Figuren sind authentisch und können mit ihren Handlungen und vor allen Dingen mit ihren Charakterzügen überzeugen. Die Bemühungen der Alt-Nazis, im Hier und Jetzt wieder Fuß zu fassen, ihre Weltanschauung weiterhin der Bevölkerung aufs Auge zu drücken und das Deckmäntelchen des Schweigens über alles auszubreiten, sind sehr eindringlich beschrieben und zeigen die verstörende Wahrheit auf.

Mit sehr eindrucksvollen Worten und einer sehr plastischen Beschreibung der Szenen entsteht so ein gelungenes Bild der vorherrschenden Normen und Gepflogenheiten (formvollendeter Handkuss, Tragen von Trauerkleidung, das "richtige" Grüßen"), der moralischen Gesinnung und der täglichen Entwicklung des Umschwungs.

Der Roman ist sehr gut recherchiert, trägt eine sehr persönliche Handschrift und ist aktueller denn je. Denn wer sich das politische Zeitgeschehen anschaut, geht mit dem Buchtitel konform - "Sie waren nie weg".