Rezension

Es ist nicht der Berg, den wir bezwingen, wir bezwingen uns selbst. (Edmund Hillary)

Die Dorflehrerin -

Die Dorflehrerin
von Bettina Seidl

Bewertet mit 5 Sternen

Tannau 1918. Seit 7 Jahren ist Antonie Weber die Dorflehrerin von Tannau und hat sich in dieser Zeit zu einem angesehenes Mitglied der kleinen Bergdorfgemeinde gemausert. Fast alle Männer sind aufgrund des 1. Weltkrieges irgendwo an der Front, so dass die Frauen anpacken müssen, um für ihre Familien ein karges Mahl auf den Tisch zu bekommen. Erst nach und nach kehren einige Männer verletzt zurück. Antonies heimliche Liebe, der Förster Sebastian, ist ebenfalls unter ihnen. Doch er wird Tannau bald verlassen, um einen wichtigen Posten in München anzunehmen. Dort lebt auch Antonies beste Freundin Elvira mit ihrer Familie, die von der Novemberrevolution der Sozialisten überrascht wird. Während der neue Pfarrer Porz von seiner Kanzel flammende Reden für den Krieg hält und den Dorfbewohnern mit seinen Ansichten das Leben schwer macht, halten die Tannauer zusammen und greifen sich gegenseitig unter die Arme. Antonie versucht derweil, den Kindern den Schulalltag so angenehm wie möglich zu gestalten und hilft mit aller Kraft dabei, ein kleines Leben zu retten. Der Abschied von Sebastian bringt ihre Entscheidung ins Wanken, ihn ziehen zu lassen. Wird Antonie der Liebe doch noch eine Chance geben?

Bettina Seidl hat mit „Stille und Sturm“ den zweiten Teil um ihre Protagonistin Antonie Weber vorgelegt, der dem Vorgängerband an historischem Hintergrund sowie einer warmherzigen Geschichte über Antonie und die Dorfgemeinschaft in nichts nachsteht. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell ins vergangene Jahrhundert reisen, um sich als Zaungast in Tannau wiederzufinden und dort Antonie und den Dorfbewohnern bei ihrem Treiben über die Schulter zu sehen. Wechselnde Perspektiven erlauben zudem einen Blick in Elviras Leben in München und die sich dort zuspitzende politische Lage. Antonie hat zwar in Förster Sebastian Berger ihren Seelengefährten und heimliche Liebe gefunden, aber als Lehrerin und ehemalige Klosterschülerin ist ihr bewusst, dass ihr Beruf ihr keine Ehe erlaubt. Mit Hingabe, Geduld und Einfühlungsvermögen unterrichtet sie ihre Schüler, wobei sie allerlei unkonventionelle Lernmethoden entwickelt, die dem Pfarrer ein Dorn im Auge sind. Die Autorin hat gut recherchiert und den damaligen historischen Hintergrund sehr glaubhaft mit ihrer Handlung verknüpft. Die Auswirkungen des Krieges sowie die Kriegsmüdigkeit und harten Entbehrungen der Bevölkerung werden eindrücklich zum Ausdruck gebracht. Vor allem aber blitzt der Zusammenhalt der Dorfbewohner immer wieder hervor, ob es das Schlittenfahren, der Kirchenchor oder aber auch der Schulneubau ist. Da greift ein jeder dem anderen unter die Arme, keiner wird allein gelassen, was in der heutigen egoistischen Zeit fast schon Seltenheitswert hat.

Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, mit ihren authentischen menschlichen Eigenschaften wachsen sie dem Leser schnell ans Herz, der sich gern als unsichtbarer Gast unter ihnen tummelt. Antonie ist eine warmherzige Seele, die immer das Wohl der anderen im Blick hat, vor allem das ihrer Schüler. Sie ist hilfsbereit, mitfühlend, einfallsreich und gibt mehr, als sie für sich nimmt. Dafür wird sie von allen geliebt und immer wieder mit Kleinigkeiten bedacht. Antonies Freundin Elvira ist eine Frau, die über ihre eigenes Handeln und Tun erst überrascht ist, dann jedoch resoluter und mutiger wird. Pfarrer Porz ist ein Blender, der andere klein macht, um sich Macht und Ansehen zu verschaffen. Er ist ein hartherziger und unehrlicher Mann, dem man keine Träne nachweint.

Mit „Stille und Sturm“ ist Bettina Seidl eine sehr gelungene Fortsetzung gelungen, die nicht nur durch den historischen Hintergrund besticht, sondern mit einer wunderbaren, liebevollen Handlung überzeugen kann, in der sowohl Liebe als auch Freundschaft in harten Zeiten einen großen Stellenwert haben. Absolute Leseempfehlung!