Rezension

Filmreifer Science-Fiction-Krimi

Knochensuppe (Band 1) -

Knochensuppe (Band 1)
von Kim Young-tak

Bewertet mit 4 Sternen

Lee Uhwan ist ein Mann Mitte 40, der nichts zu verlieren hat. Er ist Waise, haust in einem winzigen Verschlag und arbeitet im Süd-Korea des Jahrs 2064 als Küchenhilfe in einem Suppenrestaurant. Als der betagte Besitzer nicht mehr verleugnen kann, dass seine Knochensuppe einfach nur widerlich ist, schickt er Uhwan auf eine gefährliche Zeitreise, um das Original-Suppenrezept zu beschaffen. Er erinnert sich daran, dass die traditionelle Suppe einst der Stolz der Nation war und die Menschen in jeder Hinsicht „wärmen“ konnte. Gomtang, die Knochensuppe, ist eine ewig im eisernen Kessel köchelnde Rinderknochenbrühe, in die jeweils direkt vor dem Servieren frisch Reis, Gemüse u. a. Zutaten gegeben werden. Die Aufmerksamkeit gegenüber den Gästen und die Zeremonie an sich kann ich mir gut als Teil der Wirkung von Gomtang vorstellen. Ob die Romanserie Rinderknochenbrühe oder Knochensuppe heißt, macht für mich den Unterschied aus zwischen einer professionell zubereiteten Suppe und einem verdächtigen Gebräu, über dessen Inhalt ich lieber nicht nachdenken möchte.

Uhwan reist auftragsgemäß 40 Jahre in die Vergangenheit, mit einem automatischen Boot durch ein Loch im Meeresboden. Die gefährliche Reise überlebt er als einziger und muss fortan in der fremden Umgebung allein klarkommen. Der in seiner Welt als wertlos angesehene Mann beobachtet in den rückständigen 10erJahren seinen neuen Chef Lee Jongin genau und kommt schnell dahinter, dass für die Qualität der Suppe nur erstklassige Zutaten von vertrauenswürdigen Händlern nötig sind und die Geduld, den Suppenkessel stundenlang zu überwachen. Chef Jongin und seine neue Küchenhilfe geben offensichtlich ein erfolgreiches Team ab. Während ich noch grübelte, warum Uhwan nicht einfach in der Vergangenheit bleibt, wälzte er jedoch die Idee, genau dort den Lauf der Geschichte zu beeinflussen – und damit sein eigenes Schicksal.

In einem parallelen Handlungsstrang wird der Kriminalermittler Yang Changgeun nach 30 Jahren aus der Provinz in ein Revier in Busan versetzt. Changgeun ist mit einem sonderbaren Mordfall befasst (und trifft bei seinen Ermittlungen auf Lee Jongins Sohn Sunhee). Er hört - ausgerechnet mitten im Wahlkampf des Landes - von Organhändlern und mächtigen Motorrad-Gangs in der Stadt und kann sich nur wundern, dass es zu den Vorgängen bisher keine einzige Aussage eines Augenzeugen gibt. Der geduldig im Suppentopf rührende Lee Jongin, sein auf kriminellen Pfaden aktiver Sohn, 20 000 vermisste Bürger und ein weiterer Skandal um Immobilien fügen sich zu einem makabren Szenario. Angesichts der Themenvielfalt (Zeitreise, Gangkriminalität, Verhältnis Lehrling/Meister, Kontrast Stadt-Land, Tradition contra Moderne) ist der zentrale Handlungsfaden schwer zu erkennen. Circa in der Mitte des komplexen SF-Krimis lichtete sich der Nebel, Uhwan konnte die nächsten Schritte organisieren und die weiterhin makabre Handlung entpuppte sich als temporeich, humorvoll und hintersinnig. Sprachliche Missverständnisse durch verborgene oder verschobene Bedeutung spielen u. a. eine Rolle. Für die koreanischen Namen wäre eine Personen-Liste hilfreich gelesen

Fazit

Trotz eines Klappentexts, der zu viel verrät, ein origineller, komplexer Auftaktband der Knochensuppen-Trilogie. (Band 2 mit Lee Uhwan ist bereits angekündigt.)