Rezension

Für mich ein Highlight!

Stumme Zeit -

Stumme Zeit
von Silke Bremen

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch konnte mich als Nordlicht mit seinem allerersten Satz begeistern:
„Der Himmel hatte seit Tagen das undefinierbare Grau eines alten Feudels. Aber am Morgen frischte der Wind auf, zerriss den himmlischen Putzlappen und jagte bald darauf große, kompakte Wolken über die Insel.“ (S. 7)

STUMME ZEIT
Silke von Bremen

1975:

"Sönnich Petersen war ein schweres Gewitter auf zwei Beinen, das sich in einer gewaltigen Explosion entlud.“ (S. 16) Er war ein Nazi; brutal und ungerecht, doch jetzt war er tot. Seine Tochter Helma trauert ihm nicht nach: zu oft hat er sie vor versammelter Mannschaft bloßgestellt.
Jetzt kann Helma ihr Leben leben, doch was ist ihr Leben schon? 

Ihre Mutter starb im Wochenbett. Sie blieb alleine mit ihrem lieblosen Vater, der sie nie beachtete, auf einer Insel in der Bauernkate mit Reetdach zurück. Wenn es die Flüchtlingsfrau Alwine, die bei ihnen damals zwangseinquartiert wurde und die Nachbarin Lena nicht gegeben hätte, wäre ihr Leben trostlos verlaufen. Doch auch Lena verschwand ganz plötzlich. Nun hatte sie nur noch Alwine und diese blieb auf dem Hof nur für Helma. Sönnich und sie konnten sich nicht ausstehen; sie gingen einander aus dem Weg. Bei Alwine konnte sich die kleine Helma anschmiegen. Sie war es, die ihr Lieder sang und Geschichten aus der Heimat erzählte. „Alwine musste sich nun doch räuspern. Ihr Gehirn schickte Bilder von roten Sprenkeln im Schnee, zerrissenen Körpern und brennenden Menschen, deren Schreie mit ihr geflohen waren. Alles, was ihr Leben erfüllt hatte, war zurückgeblieben in Wiesenthal, aber das, worauf sie gerne verzichtet hätte, klebte an ihr wie das Harz von frisch geschlagenen Tannen.“ (S. 70)

Und heute? Kein Mann und keine Kinder - das ist die traurige Bilanz. Doch sie musste ja immer ihrem Vater helfen. Wie hätte sie da ein eigenes Leben aufbauen sollen? Und den einen, den sie mochte, hatte ihr Vater vom Hof gejagt.
Helma beschließt es den anderen Insulanern gleichzutun: Sie wird ihre Zimmer an die Touristen, die seit neuesten die Insel im Sommer belagern, vermieten. 
Während des Umbaus findet sie im Schrank ihres Vaters ein Poesiealbum, das ihrer Mutter gehörte. Darin liest sie ganz fürchterliche Dinge …

Was für ein tolles Buch!
Silke von Bremen hat mich mit ihrem feinen Schreibstil verzaubert. Diese kühle Distanziertheit, das seichte Eintröpfeln des Plattdeutschen, verwoben mit wunderschönen Beschreibungen der Insel. Einfach gelungen!
Für mich war das Buch ein wahrer Pageturner und ein Highlight und deshalb möchte ich allen, die Waterkant und Familienromane lieben, dieses Buch ans Herz legen.
5/ 5