Rezension

Ganz große Erzählkunst für das Schockierende

Dein ist das Reich -

Dein ist das Reich
von Katharina Döbler

Bewertet mit 5 Sternen

„Dein ist das Reich“ von Katharina Döbler erzählt über Mitglieder einer fränkischen, protestantischen Missionsgemeinschaft und deren Aufbruch in die deutsche Kolonie Kaiser-Wilhelmsland für die Missionsarbeit. Das Buch beginnt vor dem ersten Weltkrieg und endet nach dem zweiten Weltkrieg. Es ist die wahre Geschichte von zwei jungen Männern und zwei jungen Frauen, die in der Kolonie ihre Aufgaben finden, Familien gründen und durch den Fortgang der deutschen Geschichte wieder teilweise ins Mutterland zurückgespült werden. Die Geschichte wird aus der Sicht einer Enkelin erzählt, die gleichzeitig diejenige Person ist, die die kritische Position zur Kolonialisierung und Missionierung vertritt. Das Buch ist in einem besonderen Schreibstil geschrieben, der dazu führte, dass ich manche Sätze zweimal gelesen habe. Auch die fehlenden Anführungszeichen hatten den gleichen Effekt. Das hat mich nicht gestört. Man musste öfter innehalten und das ist gut so bei diesem problematischen Thema. Eine eingängige Geschichte und ein Pageturner hätten nicht zu der Thematik gepasst. Katharina Döbler wechselt die Erzählform und die Zeit, um der Komplexität der Erlebnisse der Hauptpersonen gerecht zu werden. 

Die Sprache ist beschreibend und poetisch. Aber immer so, dass es auch bei ganz heftigen Ereignissen - und davon gibt es zahlreiche - nicht zu emotional wird. 

„Dein ist das Reich“ ist ein reines Lesevergnügen für mich gewesen, weil die Geschichte und der Schreibstil so ganz anders sind als bei den üblichen Lesestoffen. Der Erzählstil erinnert mich teilweise an den Schreibstil des kolumbianischen Schriftstellers Marquez. Zusammengefasst zu erzählen, gerafft, aber trotzdem sehr intensiv und dicht. 

Am meisten hat mich das Schicksal der Kinder (aller Kinder!) der Missionarseltern betrübt. Was für eine traumatische Erfahrung, die Kinder für das gesamte Leben zeichnet. An vielen Stellen im Buch hatte ich das Gefühl, schreien zu wollen, wenn Situationen als „von Gott gewollt“ von der Missionarsgeneration interpretiert wurden. 

Katharina Döbler hat am Beispiel der zwei Familien ein hervorragendes Zeugnis der Funktionsweise der Missionierung während der Kolonialzeit vorgelegt. Unbedingt lesenswert.