Rezension

Ganz nette Lektüre für zwischendurch

Jünger wären mir die Alten lieber -

Jünger wären mir die Alten lieber
von Monika Bittl

Bewertet mit 3 Sternen

Kann man lesen, muss man aber nicht

Ein humorvoller Blick auf die eigenen, älter werdenden Eltern, das “Suchen und Finden des Humors selbst in schlimmsten Lebenssituationen” (12) ist wohl das Motto des Buches und auch das des Lebens der Autorin Bittl “Ü-70-Personen scheinen in einer erneuten Trotzphase zu stecken” (16) und “dass meine Mutter nicht nur zur Sorte Senioren zählt, die vereinsamt mit ihrem Wellensittich den Tagesplan bespricht” (68). Bittl arbeitet, nicht ohne Wehmut, wie bereits der Titel verrät, eine ganze Latte der Themen ab, die zum Tragen kommen können, wenn die eigenen Eltern älter und hilfsbedürftig werden. Sehr angenehm ist die Ehrlichkeit sich selbst und auch dem Leser gegenüber “Ich schwankte zwischen Verzweiflung, Verzagtheit und Überforderung”(13). Wir sind alle nur Menschen und kommen früher oder später in dieselbe Situation der beschriebenen Kinder respektive der beschriebenen Eltern. Die generell positive Sicht auf die Dinge beschreibt diese Erfahrung als Gewinn an “urkomischen Erlebnissen und neuen Erkenntnissen” (14) Manche Formulierungen sind wirklich schön und treffend “Emotionen ohne Ende..die aber der pure Handlungszwang in seine natürlichen Schranken verwies” (156, beim Ausräumen der Kleiderschränke der Eltern). Apropos Emotionen, manche Episoden wecken Rührung und Freude im Leser, wie z.B. die Schilderung des Zusammenseins des dementen Vaters mit der ukrainischen Pflegekraft: Anastasia “Der Nachbar berichtete von viel Lachen im Haus” (167), so eine Situation wünscht man den eigenen Eltern und auch sich selbst. Humor ist der Kitt, der das Leben zusammenhält und den nötigen Abstand von der teilweisen grausamen Realität schafft.

Das Buch lässt sich easy in einem Rutsch durchlesen, die Sprache ist leicht verständlich. Eine nette Zwischendurch-Lektüre mit kleinen Mängeln, aber auch durchaus nützlichen Tipps in Sachen Pflegeversicherung und den verschiedenen Geldern, die man beantragen kann, sollte man davon zuvor noch nie etwas gehört haben.

Gefallen hat mir die geschichtliche (kurz!) Aufarbeitung des Lebens mit dem Corona-Virus (für nachfolgende Generationen) sowie den Blick eines dementen Senioren auf all die damit verbundenen Beschränkungen und die Isolation.

Kommen wir zu den Abstrichen: Mit Sicherheit ist die Journalistin eine talentierte und renommierte Schriftstellerin, aber auf dieses Buch den Aufkleber “Spiegel-Bestseller-Autorin” zu kleben, halte ich für irreführende Werbung. Dieses Buch hat natürlich auf keinen Fall das Zeug zum Bestseller, weder sprachlich, noch inhaltlich, weist teilweise Altbekanntes (z.B. den Spruch der AA) und Plattitüden (zum x-ten Mal die Sache mit der Waschmaschine, die immer einen Socken verschluckt, S. 133) auf, was soll das also? Nur um die Verkaufsmaschine anzutreiben? Manche Kapitel habe ich ausgelassen, weil sie mir zu “blöd” waren, m.E. nicht in dieses Genre Ratgeber/Erfahrungsbericht bzw. in meine Erwartungen passten, wie z.B. “Interview mit einem Vampir” oder “Die fabelhafte Prinzessin”. Letzteres ist mit Sicherheit als Bild gedacht, soll ggf. das Ganze etwas auflockern oder lustig sein, ich möchte ein Buch durchgängig im selben Stil lesen. Das Cover find ich albern.Ich hab wohl einen anderen Humor und wollte kein Kinderbuch kaufen, der Abstand ist zu groß zwischen ernsthaftem Thema und an dieser Stelle albernem, platten Humor.

Resumee: Ich habe mir das Buch aufgrund des Titels gekauft, er sprach mich als Middleager mit einem betagten Vater an. Auf Humor hatte ich auch gehofft. Das Buch würde ich Lesern empfehlen, die etwas zum Lesen für Zwischendurch suchen, auf einer Reise, in Wartesituationen und die nicht wahnsinnig viele neue Informationen oder auch keine stilistisch hochtrabende Sprache erwarten, die sich ggf. einmal einen Moment auf nette Weise von ihrem eigenen Leben ablenken wollen.