Rezension

Geheimnisvolles, erfrischendes, ziemlich cooles Jugendbuchdebüt!

Secret Zero. Das Spiel beginnt ... - Morgan Dark

Secret Zero. Das Spiel beginnt ...
von Morgan Dark

~ Ein gelungenes, erfrischendes, ziemlich cooles Jugendbuchdebüt, das Jugendliche wie Erwachsene begeistern wird. Auf den fast 480 Seiten voller Spannung, Geheimnisse und unerwarteter Wendungen wird es niemals langweilig, das Miträtseln und Mitfiebern macht dafür viel zu viel Spaß! Morgan Dark schreibt leicht verständlich und flüssig, traut dabei ihrem Zielpublikum aber durchaus etwas zu – das gefällt! Für kleinere Schwächen wie den langsamen Einstieg, die minimalen Spannungseinbrüche und den Protagonisten, mit dem mich eine Art Hassliebe (wobei die Liebe doch dominiert) verbindet, gibt es einen Stern Abzug. ~

Inhalt

Kyle Bradford gehört zu den „Rich Kids“, als Adoptivsohn einer der reichsten Familien der Welt besucht er das Elite-Internat Drayton. Eigentlich lief es bisher ganz gut für den beliebten Schüler, doch das neue Schuljahr bringt unangenehme Überraschungen mit sich. Erst wird er mit Len Lu, einem mehr als merkwürdigen jungen Mann, in ein Zimmer gesteckt und plötzlich wird er auch noch für Zero gehalten, den Meisterdieb mit der silbernen Maske. Eines Tages erhält Kyle eine mysteriöse Nachricht von Zero – und das ist erst der Anfang. Wie soll er nur beweisen, dass er nicht Zero ist? Dass Zero ein Spiel mit der Polizei, der Öffentlichkeit und ganz Drayton spielt? Eine atemlose Suche nach der Wahrheit beginnt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 (Es wird eine Fortsetzung mit dem Titel „Double Zero“ geben, diese ist Spanien bereits erschienen.)
Erzählweise: Ich-Erzähler & Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus männlicher Perspektive (Kyle)
Kapitellänge: kurz bis sehr kurz (teilweise nur 1,5 Seiten)
Tiere im Buch: + Es werden keine Tiere gequält oder getötet.

Warum dieses Buch?

Dieses Mal waren es nicht nur das Cover und der Klappentext, die mich überzeugt haben – nein, es war auch das Mysterium rund um die Autorin, deren wahrer Name unbekannt ist. Ihre Inspiration zu diesem Buch nahm sie aus persönlichen Erfahrungen, sie wurde nämlich von einem mysteriösen Dieb mit Kapuze bestohlen. Genauer gesagt, verschwand ein Ring. Als ihr Jugendbuch zu einem der meisterwarteten Jugendbücher wurde, tauchte der Ring unter rätselhaften Umständen wieder auf: bei ihr zu Hause in einem schwarzen Umschlag ohne Absender (nachzulesen auf Seite 479 im Buch).

Meine Meinung

Einstieg (-)

Leider konnte mich der Einstieg bei diesem Buch nicht wirklich überzeugen. Es zog sich und es dauerte, bis die Geschichte ins Rollen kam. Ab etwa Seite 50 kommt jedoch Spannung in die Sache, wenn erste rätselhafte Ereignisse geschehen. Der erste Eindruck war dann überraschend schnell ausgebessert und ich wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Hiermit verspreche ich also: Durchhalten lohnt sich!

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist für ein Jugendbuch perfekt geeignet: Er ist einfach, flüssig, leicht verständlich, und wird dabei dennoch nicht oberflächlich. Im Gegenteil, die Autorin traut jungen Lesern ab 12 Jahren durchaus einiges zu, variiert ihren Satzbau und nutzt oft Satzgefüge (all das in einer angemessenen Komplexität) – das gefällt! Lediglich der langsame Einstieg und die hohe Seitenzahl (478) könnten für Jugendliche mit weniger langem „Leseatem“ ein Hindernis darstellen. Der Schreibstil weiß jedoch auch erwachsene LeserInnen zu überzeugen. Generell wirkt die Autorin für eine Debütantin erstaunlich routiniert, dennoch gibt es auch kleinere Schönheitsfehler: selten Wiederholungen und holprige, umständliche Sätze (könnte aber auch an der Übersetzung liegen), manchmal auffälliges, künstlich wirkendes Infodumping (vor allem in Dialogen). Mini-Logiklöcher sind ebenso (selten) vorhanden wie Dialoge, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Diese Dinge stören den Lesefluss allerdings nur minimal, fast immer weiß der Schreibstil zu überzeugen und zu begeistern.

„‘Da!‘, rief jemand aus der Gruppe der Schaulustigen. Sein Finger zeigte auf die Dachterrasse der Oper.
Da war er. In einem eng anliegenden, schwarzen Anzug, den Kopf in eine Kapuze gehüllt und vor dem Gesicht eine silberne Maske mit eingefrorenem Lächeln.“ Seite 7

Hauptfigur (+/-)

Der Hauptfigur gegenüber bin ich etwas zwiegespalten. Über weite Strecken im Buch focht ich mit mir selbst einen inneren Kampf aus, ob ich Kyle mag. Warum das so war? Einerseits ist Kyle ein sympathischer, intelligenter, junger Mann, dessen Verhalten und Gedanken für mich stets nachvollziehbar waren, anderseits ist er auch ein riesengroßer Angeber! Er prahlt gerne mit seinen Regelverstößen (Du kleiner Rebell, Kyle!) und seiner unfassbaren Beliebtheit bei allen, ja allen Mädchen, lacht junge Damen aus, wenn sie wegen seiner Abweisung weinen, nimmt an illegalen Autorennen teil, spannt anderen jungen Männern die Freundinnen aus - und wirkt dabei oft unerträglich arrogant, unsympathisch und eingebildet. Manchmal muss man genervt die Augen verdrehen, am liebsten würde man ihn eigenhändig von seinem sehr, sehr, sehr hohen Ross herunterziehen, doch nach und nach schließt man den kleinen Angeber durchaus ins Herz. Da verzeiht man ihm auch so manchen Moment des Prahlens (aber nicht alle, Kyle!). Er kann halt nicht anders, das müsst ihr verstehen! Aufgefallen ist mir außerdem das große Talent der Autorin, die Gefühle der Hauptfigur absolut intensiv und glaubwürdig zu vermitteln - hier weiß jemand, die Ich-Perspektive auszunutzen! Toll!

Kyle im Mädchenflügel:

„Ich kannte mich mit der Anordnung der Zimmer ganz gut aus, weil ich schon früher im verbotenen Flügel gewesen war. Mehrfach. Ziemlich oft sogar, wenn man es genau nimmt. […]
Als sie mich in ihr Revier eindringen sahen, richteten sich sämtliche Augenpaare auf mich. Erst erstaunt, dann nervös. […] Sie waren so sehr damit beschäftigt, sich durch die Haare zu streichen und mir aufreizende Blicke zuzuwerfen, dass keine von ihnen auch nur den Mund aufbekam.“ Seite 287

Kyle im Gespräch mit dem Direktor:

„‘Ich muss sagen, Sie haben mich enttäuscht.‘“
‚Ach was‘.“ Seite 150

Nebenfiguren (+)

Auch wenn es mich vor allem am Anfang gestört hat, dass manche Nebenfiguren äußerlich kaum bis gar nicht beschrieben wurden (besonders für junge LeserInnen wäre das wichtig), so konnten mich die Figuren später bis in die Nebenfiguren überzeugen. Sie sind liebevoll ausgearbeitet, erhalten Stärken und Schwächen und wirken sehr lebendig. Manche offenbaren zudem gänzlich unerwartete Geheimnisse.

Idee, Themen & Botschaften (+)

Die Autorin hatte eine sehr gute Ausgangsidee und erschafft in ihrem Buch einen absolut faszinierenden, mysteriösen Meisterdieb, der einen sofort in den Bann zieht und den man wohl nicht so schnell vergisst. Doch auch der Plot weiß zu überzeugen, bietet viele frische Ideen und verbindet Bekanntes gekonnt zu etwas Neuem, das Jugendliche und auch viele Erwachsene überzeugen wird. Auch ernste Töne werden angeschlagen, wichtige Themen wie der Verlust der Eltern, Freundschaft und die eigene Vergangenheit mit all ihren Schattenseiten werden behandelt. So erreicht der Jugendthriller angemessene Tiefe. Was also den Plot betrifft, kann man bei einem Jugendbuch nichts mehr besser machen. Wichtig ist auch noch wissen, dass die Geschichte einige unerwartete Fantasy-Aspekte enthält – das hat jedoch überhaupt nicht gestört, sondern sehr gut hineingepasst.

Atmosphäre (♥)

Hauptsächlich lebt das Buch von seiner einmaligen, großartigen Atmosphäre und von seinem Setting. Man begleitet Kyle im abgelegenen Internat auf seiner Suche nach der Wahrheit, stellt wilde Theorien auf, fühlt sich selbst wie ein kleiner Detektiv und fiebert die ganze Zeit mit. Die kleinen AbenteurerInnen in uns kommen wohl zum Vorschein, wenn wir innerlich nervös kichern, weil das Rätselraten und Geheimnisse aufdecken so viel Spaß macht! Hat man es erst einmal bis zur Seite 50 geschafft, scheint es nur noch einen Weg zu geben, die Geschichte zu beenden: Seite für Seite bis zum Schluss durchzufliegen.

Spannung (+/-)

Aus all den mysteriösen Vorkommnissen nimmt das Buch auch seine Spannung. Man will immer mehr wissen, will herausfinden, was hinter all den Geheimnissen steckt. So entwickelt sich das Buch trotz kleinerer Spannungseinbrüche und einem Anfang zu einem durchgehenden Pageturner. Die kurzen Kapitel, oft mit Cliffhangern am Schluss, verstärken die Spannung zusätzlich. Ein riesiger Pluspunkt ist außerdem, dass es einige Wendungen gibt, die für mich absolut unvorhersehbar waren. Niemals wäre ich auf die Lösung gekommen, obwohl ich doch mit mysteriösen Büchern schon einige Erfahrungen gesammelt habe. Es ist wundervoll, wenn es ein Jugendbuch schafft, auch erwachsene LeserInnen derart zu überraschen!

Geschlechterrollen (+/-)

Auch wenn mehr männliche Figuren im Buch wichtige Rollen übernehmen als weibliche, so gibt es dennoch auch starke, selbstbewusste Frauenfiguren. Es wird durchaus auch mit starren Geschlechterrollen gebrochen. Etwas gestört hat mich die teilweise klischeehafte Beschreibung von Mädchen(gruppen): Sie kichern „dümmlich“, wirken oberflächlich oder nur auf ihr Äußeres bedacht oder können nicht mehr klar denken, wenn Kyle mit ihnen spricht (daran ist natürlich auch teilweise Kyles selbstverliebte Perspektive schuld). Hier würde ich mir im zweiten Band noch mehr Sensibilität für das Thema wünschen. Einmal kommt das Wort Hu** als Beschimpfung für ein Mädchen vor, was in einem Jugendbuch absolut nicht in Ordnung ist. Allerdings kommt das Wort im Streit vor und wird von den anderen Anwesenden nicht bestärkt, was die Situation abschwächt. Ansonsten werden abfällige Beleidigungen und Schimpfworte generell vermieden.

Mein Fazit

Ein gelungenes, erfrischendes, ziemlich cooles Jugendbuchdebüt, das Jugendliche wie Erwachsene begeistern wird. Auf den fast 480 Seiten voller Spannung, Geheimnisse und unerwarteter Wendungen wird es niemals langweilig, das Miträtseln und Mitfiebern macht dafür viel zu viel Spaß! Morgan Dark schreibt leicht verständlich und flüssig, traut dabei ihrem Zielpublikum aber durchaus etwas zu – das gefällt! Für kleinere Schwächen wie den langsamen Einstieg, die minimalen Spannungseinbrüche und den Protagonisten, mit dem mich eine Art Hassliebe (wobei die Liebe doch dominiert) verbindet, gibt es einen Stern Abzug.

Am zweiten Band wird vermutlich kein Weg vorbeiführen!

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die es gern geheimnisvoll und mysteriös mögen!

Bewertung

Idee, Plot: 5 Sterne ♥
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4,5 Sterne
Personen: 5 Sterne
Hauptperson: 4 Sterne
Nebenfiguren: 5 Sterne
Atmosphäre: 5 ♥ Sterne
Spannung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4-5 Sterne
Botschaften: 4 Sterne
Geschlechterrollen: +/-
Ein Buch voller Geheimnisse und Mysterien!

Insgesamt:

❀❀❀❀

Dieses Buch bekommt von mir vier begeisterte Lilien!