Rezension

Geiselnahme auf der Wies'n

Oktoberfest - Christoph Scholder

Oktoberfest
von Christoph Scholder

Bewertet mit 3 Sternen

Allgemeines zum Buch und dessen Aufbau:
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"Oktoberfest" umfasst 604 Seiten und gliedert sich in einen Prolog, 18 Kapitel sowie einen Epilog. Die Kapitel sind wiederum in Abschnitte unterteilt. Eingeleitet werden die einzelnen Kapitel durch Zitate aus wissenschaftlichen Werken oder Gesetzestexten. Die Zitate stehen jeweils im Zusammenhang mit dem Inhalt der Kapitel. Als Überschrift tragen die Kapitel lediglich ihre jeweilige Kapitelnummer. Besonders ist jedoch, dass die Abschnitte oft Überschriften tragen. Dies sind entweder Ortsangaben oder Zeitangaben.

Denn das Buch spielt nicht allein in München, sondern auch in Russland, Afghanistan, Kosovo oder Wien. Auch in den Zeiten springt das Buch sehr. Während das Oktoberfest im Jahr 2010 bedroht ist, werden Ereignisse beschrieben, die bereits 1984 ihren Lauf nahmen und im Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen stehen.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht eines allwissenden Erzählers in der Vergangenheitsform.

Meine Meinung zum Buch:
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Eigentlich habe ich es nicht so mit Thrillern. Aber dieses Buch hat mich mit seinem Cover, das in Rot und Schwarz gestaltet ist und eine Szenerie des Münchener Oktoberfestes zeigt, so sehr begeistert, dass ich es einfach lesen musste.

Der Einstieg in das Buch war recht beschwerlich. Zu Beginn werden dem Leser viele Personen vorgestellt. Dabei springt das Buch zusätzlich in Ort und Zeit ziellos hin und her, sodass es sehr schwer fällt, eine Beziehung zu den Personen herzustellen. Kaum hat man sich kurze Zeit mit einem Charakter befasst, begegnet man schon der nächsten Person. Dadurch, dass die Abschnitte innerhalb der Kapitel sehr kurz sind, wirkt die Erzählweise sehr episodenhaft. Doch ich habe mich schließlich an diese Sprunghaftigkeit gewöhnt und nach und nach habe ich meinen Lesefluss gefunden. Aus zahlreichen Episoden wurden schließlich einzelne Handlungsstränge.

Obwohl der Stil des Autors nicht zu anspruchsvoll ist, wird doch eine gewisse Aufmerksamkeit vom Leser erwartet, denn ansonsten fällt es aufgrund der vielen Zeit- und Ortswechsel schwer, der Handlung zu folgen. Die Überschriften der einzelnen Abschnitte, die Ort und Zeit der Handlung bekannt geben, sollten daher aufmerksam gelesen werden, um nicht den Überblick zu verlieren. Denn es gibt zahlreiche verschiedene Handlungsorte und auch innerhalb der Jahre springt das Buch sehr.

Dadurch gelingt es dem Autor jedoch auch, Spannung aufzubauen. Denn der Leser erfährt zu Beginn nichts Genaues, kann noch nicht erkennen, inwieweit die einzelnen Handlungsstränge zusammengehören. Nur bruchstückhaft und nach und nach setzen sich die einzelnen Puzzle-Teile zusammen.

Natürlich trägt die Handlung allgemein auch dazu bei, Spannung aufzubauen und den Leser an das Buch zu fesseln. Obwohl es mich schon ein wenig gestört hat, dass die Ereignisse, die auf dem Klappentext beschrieben werden, erst nach 120 Seiten so richtig ihren Lauf nehmen. Erst hier treffen die ersten Besucher des Oktoberfestes auf der Theresienwiese ein. Erst jetzt nimmt der Plan von Kommandeur Oleg Blochin konkrete Formen an und die Zelte auf der Wies'n werden von den russischen Elite-Soldaten besetzt.

Christoph Scholder gibt sich fortan sehr viel Mühe damit, ein umfassendes Bild der Ereignisse und deren Folgen zu beschreiben: Nicht nur die Situation in den einzelnen Zelten wird beschrieben, sondern auch das Verhalten der Presse-Leute, die eine Sensations-Story wittern; die Bemühungen des Sicherheitspersonals, alles unter Kontrolle zu halten; die Ängste des Oberbürgermeisters; das Mitgefühl der Menschen zu Hause vor den Fernsehgeräten, die in den Nachrichtensendungen auf dem Laufenden gehalten werden.

Dem Autor gelingt es, ein hohes Tempo zu erschaffen und auch aufrecht zu erhalten. Darunter leidet allerdings die Tiefgründigkeit des Romans. Das Buch wirkt insgesamt sehr oberflächlich. Besonders wirkt sich dies auf die Charaktere aus. Diese bleiben sehr blass und wenig greifbar. Der Autor versucht zwar, ihnen Individualität zu verleihen, in denen er sie zum Beispiel mit einem bayrischen oder norddeutschen Dialekt sprechen lässt. Aber dies wirkte auf mich eher übertrieben als authentisch. Dadurch wirken auch die Dialoge sehr gestellt und obwohl das Buch mit seinen 604 Seiten sehr umfangreich ist, hätte ich mir an manchen Stellen mehr Ausführlichkeit gewünscht. So bleiben vor allem zwischenmenschliche Beziehungen außen vor und das Buch wirkt dadurch sehr steril und zu sehr auf politische und militärische Schwerpunkte beschränkt.

Denn von diesen lebt das Buch. Die Hintergründe für die Geiselnahmen sind natürlich politischer Art und durch die Durchführung militärischer Einsätze und der Verwendung unterschiedlichster Waffen wird das Buch seiner Einordnung in das Genre Thriller gerecht. Meiner Meinung nach wurden hier jedoch einige Sachen zu ausführlich erklärt, einiges zu sehr in die Länge gezogen. Das begründe ich aber allein mit meinem persönlichen Empfinden. Liebhaber dieses Genres können sich an dieser Ausführlichkeit sicherlich erfreuen.

Habe ich bei den Dialogen eine Oberflächlichkeit und Gestellheit kritisiert, liegt dies bei den erzählenden Passagen nicht vor. Diese sind im Gegenteil wirkungsvoll gestaltet. Besonders kurze Sätze, die oft nur aus wenigen Worten bestehen, schaffen eine dichte und spannungsgeladene Atmosphäre.

Inhaltlich bietet das Buch noch viel mehr, als es der Klappentext oder meine Rezension verraten. Denn die Geiselnehmer stellen natürlich Forderungen, die unglaublich und unerfüllbar erscheinen. Und natürlich gibt es das berühmte "As im Ärmel", das zur Hilfe eilt. Doch dazu möchte ich nun nicht mehr sagen - lest am besten selbst!

Mein Fazit:
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Ein Erstlingswerk mit Stärken und Schwächen, dessen Schwerpunkte mir persönlich zu politisch und militärisch waren.