Rezension

Gelungene Fortsetzung der faszinierenden Wintergarten-Trilogie

Die Wintergarten-Frauen. Die Sehnsucht brennt -

Die Wintergarten-Frauen. Die Sehnsucht brennt
von Charlotte Roth

Bewertet mit 4.5 Sternen

MEINE MEINUNG

„Die Wintergarten-Frauen – Die Sehnsucht brennt“ von der deutschen Erfolgsautorin Charlotte Roth ist bereits der zweite Teil ihrer neuen historischen Roman-Trilogie um das berühmte Berliner Varietétheater Wintergarten. Die in der pulsierenden Metropole Berlin angesiedelte Saga nimmt uns erneut mit auf eine fesselnde Zeitreise in die 1920er Jahre. Nachdem mich der Auftakt mit seiner ausführlichen Vorgeschichte nicht völlig überzeugt hatte, bin ich froh, der Fortsetzung dieser vielschichtigen Reihe eine Chance gegeben zu haben, denn diese konnte mich bestens unterhalten und richtig packen.
Gekonnt setzt die Autorin ihre abwechslungsreiche Geschichte um die drei faszinierenden Wintergarten-Frauen Nina Veltheim als Intendantin und Dramaturgin ihrer Wunderweiber, die mysteriöse Schlangenfrau Jenny Alomis und das scheue Multitalent Sonia fort. Als Hauptattraktion des Varietétheaters Wintergarten scheint Nina mit ihren Wunderweibern und der unwiderstehlichen Jenny als Zuschauermagnet ihre hochfliegenden Träume verwirklicht zu haben und ganz oben angekommen zu sein. Doch auch für sie scheinen die erfolgsverwöhnten Zeiten schwieriger zu werden.
Dank Roths sehr lebendigen Erzählstils werden wir rasch in die mitreißende, aus unterschiedlichen Perspektiven geschilderte Geschichte hineingezogen, die so manche Überraschung, aber auch einige ziemlich dramatische Entwicklungen für uns bereit hält. Neben hoffnungsvollen Erwartungen und grandiosen durchfeierten Nächten mit reichlich Champagner durchleben wir an der Seite der Wintergartenfrauen auch eine krisenreiche Zeit mit großen Enttäuschungen, herben Niederlagen, herzzerreißenden Tragödien und Abstürzen ins Bodenlose und dies nicht nur im beruflichen sondern auch privaten Umfeld. Ohne es zu ahnen, muss Nina gegen einen mächtigen Widersacher im Hintergrund ankämpfen, der von blankem Hass und beispielloser Skrupellosigkeit getrieben ist.
Gekonnt zeichnet die Autorin ein facettenreiches Portrait jener bewegten Zeit voller politischer, wirtschaftlicher und sozialer Umbrüche und versteht es, das pulsierende Lebensgefühl im Berlin der faszinierenden 1920er Jahre ausdrucksvoll einzufangen. Neben all dem glamourösen Glanz der Goldenen Zwanziger mit seinen Vergnügungen und seiner blühenden Unterhaltungsindustrie erhalten wir auch interessante Einblicke in die Schattenseiten dieser genuss- und vergnügungssüchtigen Stadt. Anschaulich zeigt Roth auf, wie das nationalsozialistische Gedankengut allmählich in alle Lebensbereich einsickert und die sich wandelnde politische Stimmungslage die Charaktere in ihrem Alltag zunehmend beeinträchtigt.
Hervorragend ist auch das einzigartige Flair des berühmten Berliner Varietés Wintergarten eingefangen. In einigen ausgewählten Episoden dürfen wir die aufregende, farbenprächtige Welt aus Kabarett, Musik, Tanz, Zauberei, Tierdressuren und Akrobatik miterleben und einen kleinen Einblick in das vielfältige Repertoire erhaschen.
Die verschiedenen, sehr vielschichtig angelegten Charaktere wurden von der Autorin mit ihren Eigenheiten, faszinierenden Hintergrundgeschichten und Geheimnissen lebendig und lebensnah ausgearbeitet, so dass ich mich gut in sie hineinversetzen und ihre Handlungen nachvollziehen konnte. Ob nun Ninas sympathischer Zwillingsbruder Carlo, die geheimnisvolle Sonia, die sich nie unterkriegen lässt, Ninas Freund, der berühmte Schauspieler Anton Wendland, oder weitere Figuren aus dem illustren Freundeskreis des Varietes– sie alle sind faszinierende Charaktere, die gemäß ihrer Rolle vielschichtig und glaubhaft ausgearbeitet sind, und für Abwechslung in der Geschichte sorgen.
Besonders gefallen hat mir, dass die Autorin diesmal die mysteriöse Schlangenfrau und Tänzerin Jenny mit ihrem kleinen Sohn Viktor mit ihrer tragischen Vergangenheit in den Mittelpunkt gerückt hat. Allmählich erfahren wir mehr über ihre traumatischen Erlebnisse während des Kriegs, ihre Flucht aus Riga und die Hintergründe für ihre Ängste und Geheimniskrämerei. Roth versteht es, die schillernde Persönlichkeit dieser wandlungsfähigen, verletzlichen Frau voller Willensstärke, Leidenschaft aber auch ihre Schwächen und Abgründe glaubhaft einzufangen, so dass man mit ihr mitfiebert und hofft, dass auch sie schließlich ihren Frieden und ihr Glück findet.
Sehr viel besser als im ersten Teil hat mir auch Ninas Figur zugesagt, deren recht schwierige Persönlichkeit neue Facetten hinzu erlangt hat und weniger arrogant und deutlich gereifter wirkt. Dank ihres bewundernswerten Ehrgeizes, und ihrer großen Begeisterungsfähigkeit kann die bemerkenswert ehrgeizige und selbstbewusste Protagonistin sich als talentierte Intendantin zwar beachtliche Erfolge feiern und doch muss sie weiterhin verbissen gegen viele Widrigkeiten meistern und für ihre Wunderweiber im Wintergarten kämpfen muss. Selbst als sie in eine tiefe private Krise stürzt, trifft sie einige fragwürdige Entscheidungen, doch ist aufgeben keine Option für sie.
Die Handlung nimmt einige unerwartete und dramatische Wendungen, die den Spannungsbogen immer weiter anziehen lassen, und gipfelt in einem fulminanten Finale. Ich bin gespannt auf den nächsten Band dieser farbenprächtigen historischen Saga und freue mich schon auf ein Wiedersehen mit den Wintergartenfrauen.

FAZIT
Eine fesselnde Fortsetzung der historischen Trilogie, die uns auf eine faszinierende Zeitreise in die Goldenen Zwanziger und in die aufregende Welt des Berliner Varietés Wintergarten mitnimmt!