Rezension

Gelungene und abwechslungsreiche Einführung in das Thema Feminismus

Stand Up - Julia Korbik

Stand Up
von Julia Korbik

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Was ist eigentlich Feminismus und warum brauchen wir ihn? Wieso hat er so ein schlechtes Image und ist an den Vorurteilen von Männerhass & Co etwas dran? Wie unterschiedlich wird Feminismis zum Teil interpretiert?
Diesen und vielen weiteren Fragen geht Julia Korbik in "Stand Up" auf dem Grund und gibt nebenbei jede Menge Lesetipps für weiterführende Bücher, Webseiten und Blogs.

Meinung

"Feminismus" - fast schon ein Schimpfwort, könnte man meinen, wenn man hört, wie dieser Begriff mitunter ausgesprochen und womit er assoziiert wird. Tatsächlich begegnet man, wenn man sich als Feminist*in bezeichnet, des Öfteren Vorurteilen, beispielsweise, dass man Männer hassen und diskriminieren würde, oder dass man als Frau nicht Feministin sein und sich gleichzeitig schminken/körperbetonte Kleidung tragen/... dürfte.
Ein Grund mehr, jedem Menschen Bücher wie "Stand up" ans Herz zu legen, die in peppiger Aufmachung und klaren Worten verdeutlichen, worum es beim Feminismus geht - Gleichheit der Geschlechter - und wieso das Konzept, obwohl Frauenrechtler*innen schon so viel erreicht haben, noch immer eine große Bedeutung hat.

"Stand up" eignet sich wunderbar als Einführung in das Thema für jeden Menschen, der sich noch nicht genauer damit befasst hat, denn es deckt auf rund 400 Seiten die wichtigsten Bereiche des Themenkomplexes Feminismis ab, ohne dabei zu wissenschaftlich zu werden oder zu sehr ins Detail zu gehen. Behandelt werden neben den "Basics" wie der Bedeutung des Begriffs und der Entwicklung des Feminismus auch Bereiche des Lebens, in denen der Feminismus noch viel zu kämpfen hat: Politik, der Umgang mit dem weiblichen Körper, (Pop-)Kultur.

Durch die alltagsnahen Beispiele wird einem deutlich, wie sehr Sexismus und eine andere Behandlung der Frau auch uns, die wir vergleichsweise privilegiert in Deutschland leben und viele Rechte genießen, noch betreffen.
Besonders hängengeblieben ist bei mir, wie oft man doch eigentlich Alltagssexismus einfach hin- oder schon gar nicht mehr wahrnimmt, weil er, obwohl Frauen bei uns auf dem Papier dieselben Rechte haben wie Männer, trotzdem zum Teil noch selbstverständlich ist.

"Stand up" bezieht sich hierbei verständlicherweise hauptsächlich auf die Situation von Frauen, räumt aber dennoch mit einigen Klischees auf, die Männer betreffen. Männer werden in diesem Buch nicht, wie es Feminist*innen oft nachgesagt wird, verallgemeinernd als sexistisch oder diskriminierend dargestellt, im Gegenteil: Einige werden sogar in den Portraits, die das Buch durchziehen, als Feministen vorgestellt. Besonders wenn es um das Thema Familie geht, wird deutlich, dass auch das männliche Rollenbild für die Betroffenen Einschränkungen bietet, die es zu durchbrechen gilt.

Auch als Person, die sich bereits viel mit Feminismus beschäftigt hat, kann man das Buch gut lesen. Zwar werden einen viele Inhalte nicht mehr überraschen, doch viele der erwähnten Feminist*innen und deren Aktionen, Bücher und Webseiten/Blogs kannte ich persönlich noch nicht, sodass das Buch auf viele Anregungen zum weiteren Lesen und Recherchieren bietet.

Generell empfand ich besonders die "feministischen Portraits", die Vorstellungen von anderen Büchern, Forschung und Webseiten zu dem Thema und viele der Zitate anderer Feminist*innen als sehr inspirierend.
Ein großes Lob gibt es auch für die Grafiken, die hier nicht nur bestimmte Sachverhalten mit Diagrammen illustrieren, sondern auch auf ansprechende und freche Weise feministische Botschaften und einprägsame "Slogans" rüberbringen.

Zwei kleine Mankos weist das Buch in meinen Augen trotzdem auf:
Zum einen finde ich es ein wenig befremdlich, die auf pink und Weiblichkeit getrimmte Industrie anzuprangern, in Grafiken Frauen aber andererseits mit rosa und in Piktogrammen mit Kleidern zu repräsentieren.
Zum anderen fehlte mir die Diskussion des Genders, des "sozialen Geschlechts", das im Feminismus meiner Meinung nach mittlerweile ebenfalls ein großes Thema sind sollte. Zwar erklärt Julia Korbik den Begriff und grenzt ihn vom biologischen Geschlecht ("sex") ab und zitiert auch einige Feminist*innen, die die Gender Gap* verwenden, doch selbst geht sie nicht viel genauer auf das Thema ein. Dabei gehört für mich zu der Erkenntnis, dass das "soziale", "gefühlte" Geschlecht sich vom biologischen unterscheiden kann und nicht zwingen davon sondern auch von anderen Einflüssen (vor allem der Gesellschaft) bestimmt wird, auch die Erkenntnis, dass die "sozialen Geschlechter" daher auch vielfältiger, flexibler und nicht so leicht in weiblich oder männlich einzuteilen sind.
Aber vielleicht ist das für ein Buch, das erstmal lediglich einen Überblick schafft, auch zu viel verlangt, schon so tief in die Materie einzudringen.

Fazit

"Stand up" ist eine lohnenswerte Lektüre sowohl für Neulinge als auch für "alte Hasen" im Feminismus. Das Buch gibt einen knackigen, leicht verständlichen Überblick über das Thema und regt mit Portraits, Literatur- und Internettipps zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema an. Von mir gibt es solide 4 Sterne.

*bei mir das *, das all die Menschen repräsentieren soll, die sich weder (nur) dem weiblichen noch (nur) dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen