Rezension

Gescheitert und gestrandet

Hotel du Lac - Anita Brookner

Hotel du Lac
von Anita Brookner

Bewertet mit 3.5 Sternen

Wenn man ins Exil geschickt wird, ist ein Hotel am Genfer See sicherlich nicht der schlechteste Ort – noch dazu, wenn man einen Roman schreibt und sich Inspirationen von seiner Umgebung erhofft. Die Romanheldin Edith Hope lebt sich jedenfalls recht schnell ein und beobachtet im Speisesaal jeden einzelnen Hotelgast eingehend. Mal stellt sie Vermutungen an, was für ein Leben sie führen, mal dichtet sie ihnen fantasievolle Lebensgeschichten an. 

Als sie einige Gäste näher kennenlernt, zum Beispiel die Witwe Iris Pusey und ihre Tochter Jennifer, die ständig auf Shopping Tour gehen, stellt sie fest, dass sie mit ihren Vorstellungen häufig daneben liegt. Ihre Beobachtungen über die größtenteils gescheiterten und gestrandeten Gäste berichtet Edith in Briefen einem geheimnisvollen David und lüftet damit nach und nach das Geheimnis über ihren Fehltritt in ihrer Heimatstadt London.

Interessant wird es vor allem dann, wenn nicht sie die Beobachtende ist, sondern Gäste wie Philip Neville ihr Verhalten und ihren Charakter analysieren. So kommt es zu geistreichen und humorvollen Wortwechseln, bei denen Edith ungewöhnlich direkt ist. Viel passiert in dieser Geschichte nicht, außer dass Edith durch die Zufallsbekanntschaften immer mehr über sich selbst erfährt. Sprachlich ist der Roman ein Genuss, doch inhaltlich hält er wenig Überraschungen bereit.