Rezension

Geschichte mit wahrem Kern, geht ans Herz

Die Geschichte eines schönen Mädchens - Rachel Simon

Die Geschichte eines schönen Mädchens
von Rachel Simon

Bewertet mit 4 Sternen

Pennsylvania, USA, im Jahre 1968:
Die zurückgezogen auf ihrer Farm lebende kinderlose Witwe Martha wundert sich, wer abends bei starkem Regen noch an ihre Tür klopfen mag, denn Besuch bekommt sie eigentlich nur noch an Weihnachten von ihren ehemaligen Schülern.
Draußen stehen zwei völlig durchnässte Gestalten, die geistig behinderte Lynnie und der taubstumme Afro-Amerikaner Homan. Sie sind aus der nahegelegenen Pennsylvania State School geflohen, eine Schule nur dem Namen nach, eher eine Verwahranstalt, in der Gewalt, Verwahrlosung und Missbrauch an der Tagesordnung sind. Vor allem Lynnie musste dies erleben, sie hat auf der Flucht ein Kind geboren.
Als die Behörden die Flüchtigen noch am gleichen Abend einholen, schafft Lynnie es noch, Martha zuzuflüstern:"Verstecken...sie..bitte!" bevor sie zurück in die Anstalt gebracht wird. Die Witwe versteckt das Baby. Homan flüchtet in die Wälder.
An diesem Abend kreuzen sich die Lebensbahnen dieser vier Menschen und vor allem Marthas Leben wird für immer verändert. Das Buch folgt dem Leben der vier über die nächsten 40 Jahre, während derer Lynnie auf Homan wartet und Martha durch die Verantwortung, die sie für das Baby übernommen hat, aus ihrer Lethargie gerissen wird.
Lynnie und Homan lernen mit der Zeit, für sich selbst zu sorgen und einzustehen.

Mir hat "Die Geschichte eines schönen Mädchens" sehr gut gefallen. Rachel Simon hat selbst eine geistig behinderte Schwester und das Thema liegt ihr sehr am Herzen. Das Leben von geistig oder körperlich behinderten Menschen ist historisch korrekt erzählt. Bis in die Siebziger Jahre hinein waren viele von ihnen von ihren Familien in staatliche Einrichtungen abgeschoben worden und fristeten ein trauriges Leben. Was aber auch in diesen Menschen steckt und wie sie selbstbestimmt leben können, hat Rachel Simon in ihrem Buch sehr schön erzählt. Mir gefiel es, dass das Buch vor allem darauf anspielt, dass man die Hoffnung nie aufgeben soll, sondern etwas dafür tun soll, dass die Hoffnungen sich erfüllen. Auch die Liebesgeschichte zwischen Lynnie und Homan sowie deren Werdegang und Marthas neu entdecktes Leben sorgen für echten Lesegenuss.