Rezension

Glaube und Wissenschaft - ein Zusammenspiel

Ein erhabenes Königreich -

Ein erhabenes Königreich
von Yaa Gyasi

Bewertet mit 5 Sternen

Yaa Gyasi legt mit ihrem aktuellen Roman ein breites Spektrum an Gesellschaftsfragen vor. Die aus Gahna eingewanderte Familie um die Hauptfigur Gifty ist Mitglied in einer hauptsächlich weißen Gemeinde. Solange Gifty‘s Bruder Nana nur mit sportlichen Leistungen glänzt, sind sie akzeptiert. Als er mit Drogen in Berührung kommt, gewinnt leider der Alltagsrassismus. Der Roman handelt ebenso von elterlicher Trennung, von der Armut einer alleinerziehenden Mutter und ihrer Kinder. In ihrer Not, den Lebensunterhalt irgendwie aufrecht zu erhalten, bleibt der Mutter nur wenig Zeit, sich wirklich um ihre Kinder zu kümmern.

Trotzdem schafft es Gifty in die Forschung der Neurowissenschaften. Sie ist nur noch einen minimalen Schritt von ihrer Promotion entfernt. Mit ihrer Forschung will sie aber nicht nur den nächsten Karriereschritt machen, sondern vielmehr ergründen, ob es möglich ist, Süchte und Depression, die beiden Katastrophen, die ihre Familie heimsuchten, zu heilen. Als Kind, tief gläubig, betend für ein besseres Leben, versucht Gifty nun mittels Wissenschaft „ihre“ Probleme zu lösen. Hat sie ihren Glauben ganz verloren? Kann die Wissenschaft allein alle Probleme lösen? Gifty versucht einen Balanceakt zwischen Beidem.

Ich muss sagen, ich mag Gifty. Ich kann mich gut mit ihren Gedanken identifizieren, mit ihren Zweifeln. Ich finde es bewundernswert, dass sie nicht aufgibt. Ich liebe ihre linkische Art, wenn sie mit kecken Bemerkungen ihrem Kollegen Han die Röte in die Ohren treibt. Das beste an ihrem Charakter ist die Loyalität zur Familie. Obwohl die eigene Mutter sie als Kind oft nur wie Zweite Wahl behandelt hat, nimmt Gifty sie, an Depression leidend, bei sich auf und pflegt sie. 

Die Geschichte wird in zwei zeitlichen Eben erzählt, eine beschäftigt sich mit Gifty‘s Forschung, die zweite mit ihren Erinnerungen an die Kindheit. In den Prosatext sind immer wieder Gifty‘s kindliche Gebete eingestreut, wodurch der ihr innewohnende Glaube richtig schön herausgearbeitet wird. Gern gelesen habe ich auch die Sätze auf Twi, eine Akan-Sprache, die in Ghana gesprochen wird. Dadurch entstehen für mich trotz wahrscheinlich falscher Aussprache meinerseits zusätzliche Schwingungen, die dem Roman noch mehr Authentizität geben. Da jeder dieser Sätze sofort übersetzt wird, fühlte ich mich direkt mitgenommen in Gifty‘s Welt.

Ich habe hier einen ganz tollen Roman gelesen, der leise, aber auch unverblümt entscheidende Gesellschaftsprobleme anspricht. Da Gifty’s Forschung auf Tierversuchen basiert, sollte man hierfür eine gewisse Toleranz mitbringen. Sonst lässt sich der Roman nicht genießen. Darüber hinaus spreche ich gern meine Leseempfehlung aus.