Rezension

Grandiose Literatur

Ein Sommer aus Stahl - Silvia Avallone

Ein Sommer aus Stahl
von Silvia Avallone

Bewertet mit 5 Sternen

Der Stahlstandort Piombino liegt gegenüber der Insel Elba. Vom Strand aus sehen Anna und Francesca, zwei flügge werdende italienische Mädchen, die reiche Touristeninsel und träumen vom Aufstieg. Francesca möchte gerne ein Star werden. Anna will die Welt verändern, am besten gemeinsam. Freundinnen für immer, klar. Bis dahin müssen sie nur noch irgendwie das Leben der Hochhauswelt, den Staub, die Via Stalingrado und ihre Erzeuger überleben. Annas Vater ist spielsüchtig, konvertiert später auf spektakuläre Weise zu tatsächlich zu gewinnbringenden Geschäften, die bald seiner Ehefrau Kurzzeitwohlstand beschert, bis sie erneut an Rand der Verzweiflung gerät. Francescas Vater dagegen beobachtet seine Tochter auf Schritt und Tritt. Immer mit der Behauptung, er passe auf sie auf, eigentlich will er sie jedoch wohl nur zu einer Art Zweitehefrau machen.  Zwei besondere männliche Exemplare? Mitnichten! In diesem Roman wimmelt es nur so von kleinen männliche Wichten, die sich nichts wichtigeres vorstellen können, als mit einer der Tänzerinnen aus dem Gilda Nachtclub Sex zu haben. Was soll man nach Feierabend auch machen? Die Ehen, meist früh geschlossene Einbahnstrassen der Tristesse, dienen meist der Frustbewältigung. Der Sinn des Lebens reduziert sich in Piombino auf die Einnahme von Drogen, Sex und Arbeit, bis zum Abwinken, nicht immer in der Reihenfolge. Alle Männer arbeiten für das Stahlwerk. Inzwischen für einen russischen Investor, der am Liebsten den Schuppen nach Polen auslagern möchte.

Italien auf dem Weg nach unten. Nicht mit Anna und Francesca, die schwören sich immer noch ewige Treue und ja, sie sind jetzt dreizehn, das wird ihr Sommer, also Brust raus, Jungs anmachen, Gas geben. Nur nimmt Anna einen falschen Abzweig auf Mattias Karre, findet Francesca zumindest. Eifersüchtig beäugt sie AnnasVerhalten ihrem neuen Freund gegenüber. Klarer Fall: das ist echte Liebe. Mist, sie ist aus dem Spiel! Sie fühlt sich von Anna verraten und so gräbt sie sich nun in sich selbst ein, kriecht zurück in ihr Schneckenhaus und sucht sich nicht nur eine neue Freundin....

Meinung:

Mein Lieblingsbuch in diesem Jahr! Warum? Weil "Ein Sommer aus Stahl" richtig gute Literatur ist. Geschrieben von einer Frau die einem etwas mitzuteilen hat. Wegen solcher Bücher quält sich der geneigte Leser durch tausend schlechte Schinken.

Silvia Avallone beherrscht ihr Handwerk tadellos. Das Buch ist brilliant durchkomponiert, feurig geschrieben, realitätsnah, bis zum Wehtun, es zeigt die Arbeiterwelt in all ihren Facetten und endet in einem grossartigen Schlussspurt. Alle vorkommenden Personen werden gnadenlos und völlig unromantisch unter die Lupe genommen und fachgerecht seziert, fast spielerisch springt Silvia Avallone von dem einen Kopf in den nächsten, immer auf Spurensuche. Warum sind diese Menschen, wie sind? Warum begnügen sie sich mit einem eintönigem  Leben, dass dem Leben jener Katzen gleicht, die rammelnd, fauchend, einäugig und mit verbrannten Schwänzen durch die dahin rostende Fabrik rennen um diese niemals zu verlassen? Zum Glück gibt es die Frauen in diesem Buch, denn in einigen von ihnen brennt ein Hoffnungsfunken, ganz unsentimental, ganz rational, mehr wird nicht verraten!