Rezension

Grausames Kasperletheater

Jakobs Mantel - Eva Weaver

Jakobs Mantel
von Eva Weaver

New York im Jahre 2009. Ein alter Mann geht mit seinem Enkel spazieren, als Plakat für ein Puppentheater entdeckt, das ihn zu Tode erschreckt. Wieder zuhause holt er ein altes Paket hervor, dessen Inhalt er andächtig seinem Enkelsohn zeigt. Es ist ein verstaubter, abgetragener alter Mantel – doch dieser hat eine große Bedeutung für ihn gehabt, damals im Ghetto.
Seinem Enkel erzählt Mika jetzt, „wie es wirklich war“, damals in Warschau. Er erinnert sich an seine Geschichte. 15 Jahre war er alt, als die Nazis die Juden erst ausgrenzten und schließlich wegsperrten.Während Mikas Opa seine Arbeit als Universitätsdozent verliert darf Mika nicht mehr zur Schule gehen. Armbinden kennzeichnen sie als Juden, die schließlich in einen Stadtbezirk Warschaus eingepfercht werden. Lebensmittel und medizinische Versorgung werden immer knapper, bald kämpfen die Bewohner um ihr Überleben. Nachdem sein Opa von Wehrmachtssoldaten getötet wird „erbt“ Mika dessen wunderbaren Mantel, der allerlei Schätze beherbergt – unter anderem einen Schlüssel zu einer winzigen Kammer der Wohnung, die sie bald mit mehreren Personen beherbergt. Hier findet Mika einige Handpuppen aus Pappmachee, die sein Großvater geschaffen hat. Mika entdeckt seine Liebe zum Puppenspiel, doch gerade diese soll sein Schicksal fortan bestimmen. Er spielt Geschichten, zunächst für sich selbst und seine Familie, bald für Waisenkinder und Kranke – schließlich aber auch für die Soldaten der Wehrmacht. Gegen seinen Willen wird er bald regelmäßig gezwungen für den Feind und Unterdrücker „Kasperletheater“ zu spielen. Er fühlt sich feige und als Verräter, doch bleibt ihm schließlich nichts Anderes übrig. Mika nutzt deshalb jede Möglichkeit zu helfen, indem er Nahrungsmittel ins Ghetto aber auch kranke Kinder aus dem bewachten Stadtbezirk schmuggelt.
Ich möchte nicht zuviel verraten, Mika überlebt die Massenvernichtung und am Ende schließt sich der Kreis der Geschichte, die nicht nur das Leben der Juden im Holocaust beleuchtet, sondern auch das jener Wehrmachtssoldaten, die in den gleichen Viehwaggons, in denen die Juden zum Vernichtungslager gebracht wurden, nun in russischer Kriegsgefangenschaft, in Arbeitslager verbracht werden. ( sofern sie die Zugfahrt überlebten )
Der Roman ist durch seine Eindringlichkeit und die realitätsnahe Schilderung des Lebens der Protagonisten sehr traurig und bedrückend.
Dabei möchte die Autorin die Aspekte der Schuld und der „Erbsünde“ aufgreifen, über die man sicherlich viel diskutieren kann und muss.
Wieviel Schuld trägt unsere Generation, z.B. einfach durch die Tatsache, dass wir nicht nachgefragt haben. Waren vielleicht auch unsere Großväter „Befehlsempfänger“ und welche Schuld traf sie, welche uns als Nachkommen?