Rezension

großartiger, horizonterweiternder Roman

Wolfslichter -

Wolfslichter
von Kerstin Ekman

Bewertet mit 5 Sternen

Der fast 70-jährige Ulf aus Hälsingland/Schweden ist pensionierter Forstmeister und stammt aus einer Familie von Waldbesitzern und Jägern. Mit 12 Jahren erhielt er seinen ersten Hund und eine eigene Schrotflinte. Auch wenn er es lange nicht wahrhaben will, ist die Jagd inzwischen für ihn gesundheitlich zu anstrengend; er ist ein alter Mann mit einer alten Jagdhündin. Um trotz schwindender Kraft seinem Revier nahe zu sein, hat Kerstin Ekmans Icherzähler an der Grenze von Wald und Moor einen grün gestrichenen Wohnwagen aufgestellt, in dem er viel Zeit verbringt. Die Sichtung eines kräftigen, imposanten Wolfsrüden konfrontiert Ulf (sein Name ist aus dem altnordischen Wort für Wolf abgeleitet) mit dem Bündel an Gründen, warum er sein Leben für die Jagd bisher nicht loslassen kann. Die jüngeren Mitglieder seiner Jagdgemeinschaft werden „Hochbein“, den Einzelgänger, schießen wollen, legal oder illegal, weil die Jagd ihrem Männerbild entspricht. Ulf behält die Sichtung für sich; er will „Hochbein“ offensichtlich so lange wie möglich schützen. Würde er über den Wolfsrüden sprechen, würde er dessen Leben gefährden.

Die Beziehung innerhalb der Jagdgemeinschaft zeigt den in Europa verbreiteten Wolfskonflikt (Nutztierhalter gegen Bewahrer) auf, aber auch den Nachfolgekonflikt in der Gruppe. Wenn Ulf als Jagdleiter abtritt, tritt zugleich die Vernunft ab. Dann wird eine Männer-Generation entscheiden, deren Männerbild mit dem Töten von Beutegreifern verschmolzen ist. Doch bevor ein Beweis vorliegt, dass „Hochbein“ Nutztiere gerissen hätte und die Jäger offiziell das „Recht auf Schutzjagd“ erhalten würden, geschieht - krimireif - Unerwartetes, das den Generationenkonflikt aus völlig anderer Perspektive zeigt.

Fazit
„Wolfslichter“ hat mich zunächst damit beeindruckt, dass ich mich trotz der Fachsprache der Jagd und Waldbewirtschaftung problemlos in Ulfs Denkweise versetzen konnte. Das Nachschlagen, was z. B. ein Plenterwald ist, hat mir eine völlig neue Sicht eröffnet auf seine Werte und seine Familientradition. Magisches Denken hätte ich einem Mann wie ihm so wenig zugetraut wie die quälende Auseinandersetzung mit persönlichen Fehlern und Fehlannahmen der Eltern- und Großelterngeneration. Berührt hat mich besonders die Rolle seiner Frau Inga, die ihn besser kennt, als ihm lieb sein wird.

Ulf wurde nach dem altnordischen Begriff für Wolf getauft und sichtet an seinem Lebensende einen Wolf. Das Wolfsthema, Altern, Loslassen, Bewahren, seine Lebensbilanz mit seinen jagdlichen Fehlern, die Gruppendynamik der Gemeinschaft, – all das verknüpft Kerstin Ekman in filigraner Weise zur berührenden Rückschau Ulfs auf ein erfülltes Leben. Auch wenn er sich längst nicht damit abfinden kann, dass er inzwischen von „jungen Dingern“ herumkommandiert wird, ist sein Leben auch ohne Jagd lebenswert. Ja, im Roman sterben Tiere - auf unterschiedliche Art. Ein großartiger, horizonterweiternder Roman.