Rezension

Gute Unterhaltung mit Tiefgang und Humor

Der Sommer der Puppen -

Der Sommer der Puppen
von Monika Held

Bewertet mit 4 Sternen

Roman über Leben, Liebe und Tod - sehr bewegend

Es ist der erste Roman von Monika Held, den ich gelesen habe, hoffentlich schreibt sie noch mehr!

Die Romanheldin Pia scheint das Alter Ego der Autorin zu sein, auch wenn es ein Roman ist, so sind doch viele Dinge mit dem Lebenslauf von Monika Held vergleichbar. Geboren in Hamburg 1943 - und mit der Mutter, dank der Mutter (im Roman) - den Feuersturm überlebt.

Pia steht mitten im Leben, man schreibt 1984, sie ist Autorin, lebt in Frankfurt am Main und will gerade ein Exposee für einen Film schreiben. 1000 Gedanken schwirren ihr durch den Kopf, als sie unerwartet einen Anruf erhält, der ihr Leben erst einmal auf den Kopf stellt. Ihre Mutter hatte einen Schlaganfall und bittet um Hilfe, Pia möge die Pension "Ebbe und Flut" vor dem Untergang retten. Die Mutter im Krankenhaus stellt sich das recht einfach vor, Pia soll an die Nordsee fahren und die Frühstückspension der Mutter übernehmen, die schon zu Beginn der Saison voller Gäste ist. Da Schwester Judy (schrecklicher Name!) dafür wohl eher ungeeignet ist, macht Pia sich kurzentschlossen auf den Weg. Die Pension ist so, wie wir uns das heute nicht mehr so recht vorstellen können, die Zimmereinrichtungen zusammengewürfelt, der Komfort eher gering, das Frühstück eine ganz persönliche Angelegenheit, Eier "extra". Pia erzählt das alles im Rückblick, wie sie sich durchwurschtelt, dass die allermeisten Gäste hilfreich und ihr freundlich gesinnt sind, entschädigt nur wenig.

Etwas ganz Besonderes sind die Puppen, die im Haus verteilt sind, etwas lädierte Geschöpfe mit einer ganz ungewöhnlichen Biographie. Dem einen gefallen sie, dem anderen nicht, aber sie bleiben immer im Blickfeld. Pias Mutter ist die notorische Sammlerin, Pia lebte schon als Kind mit ihnen.

Ein feiner Humor durchzieht die Geschichte, deren Verlauf und Ausgang ich hier nicht beschreiben möchte. Es entwickeln sich sehr unvorhergesehene Beziehungen, es kommen Dinge ans Licht, die Pia nicht für möglich gehalten hätte. Sie findet mit der Bulgarin Esveranka eine liebevolle Haushaltshilfe mit Sprachproblemen, mit Jons Bittermann den neuen (seit 16 Jahren!) Vertrauten der Mutter und mit Gunnar Jansson die Liebe. Außerdem findet sie im Schreibtisch der Mutter ein Bild, signiert mit ELW, das heißt "Schmerzhaft Ruhende". ELW wird nicht jeder kennen, ich habe vor Kurzem das Buch "Frieda" von Dagmar Fohl gelesen und erkannte in dem Kürzel Elfriede Lohse-Wächtler wieder. Dieses Bild lässt Pia keine Ruhe, sie erkennt die Bedeutung und wird es am Ende als Geschenk erhalten. Die Ausführungen der Autorin gerade im Zusammenhang mit Kriegserlebnissen und dem Schicksal der Künstlerin fand ich etwas kurz geraten. Wenn man ein solches Thema ins Buch einbringt, sollte man etwas in die Tiefe gehen. Wer die Künstlerin nicht kennt, erfährt erst ganz am Ende und nicht sehr ausführlich von ihrem Schicksal. Der Zusammenhang mit der Puppensammlung erschließt sich aber beim Lesen ganz gut.

Die turbulenten Monate, die Pia in der Pension arbeitet, sind wunderbar erzählt, mit Rückblicken auf das Leben der Eltern, auf die eigene Kindheit und Jugend, auf den eigentlich nicht richtig verarbeiteten Tod des Vaters 1967, auf die Freundschaft zu Oma Ly, auf die höchst unterschiedlichen Gäste. Dass die Mutter vom Krankenhaus aus immer wieder gute Ratschläge gibt, ist verständlich, aber Pia macht ihr eigenes Ding und ändert einige alte Traditionen. 

Das Buch hat mich einen Urlaub lang begleitet, das Lesen hat mir Spaß gemacht, nur das Ende kam nach all der Ausführlichkeit im Hauptteil etwas "Holterdipolter". Die Mutter kommt aus der Kur zurück und Pia wird in ihr normales Leben "entlassen". Da hätte ich mir noch ein bisschen mehr gewünscht.