Rezension

Gutes Buch

Wieso Heimat, ich wohne zur Miete - Selim Özdogan

Wieso Heimat, ich wohne zur Miete
von Selim Özdogan

Bewertet mit 4 Sternen

Krishna Mustafa hat eine deutsche Hippie Mutter, einen türkischen Vater und aus diesem Grund ein Problem mit seiner Identität, zumindest meint das die Frau, die ihn verlassen hat. Ratlos zieht es ihn nach Istanbul. Er will, so vermittelt es mir das gelungene Buchcover, vom Halbmond aus in die Ferne blicken, um sich selbst nahe zu kommen. Krishna, dieser von Geburt an zwischen die Kulturen geratene Schelm streunt ziellos durch die Stadt seines Vaters und stößt die Heimat zu seiner inneren Heimat auf. In etwa so kann man Selim Özdogans neuen Roman beschreiben. Manchmal habe ich mich während des Lesens gefragt, wie viel von dem Autoren Özdogan in diesem immer und alles beobachtenden Krishna Mustafa steckt, der einfach nichts ernst nehmen kann. Schon gar nicht die Liebe. Wahrscheinlich weniger, wie der Leser glaubt, aber immer noch genug, um mit reichlich Tiefenschärfe das literarische Fallbeil auf deutsche Biojünger und einen türkischen Präsidenten niedersausen lässt, wie man(n) Machohafter kaum sein kann. Selim Özdogan schreibt voller bissiger Ironie, im Plauderton eines geborenen Leichtfußes, wunderbar lakonisch und stilsicher. Allerdings mit einem Hang zum Abschweifen. Fraglos ist in dem Buch nicht jede Pointe ein Treffer, bisweilen ist die Geschichte einfach inhaltlich belanglos, aber was trifft, dass haut einen aus den Socken und sorgt für Lachfalten im Gesicht des Lesers. Vor allem in der zweiten Hälfte des Romans ist das der Fall. Fein, die Geschichte mit dem angeblichen Terroristen, den Seitenhieben auf Spießertum und glücklose Sinnsuche. Und Überhaupt: Was ist schon eine Demonstration im Gezi Park gegen ein Flirt mit dem Schicksal? Alles in allem ein gelungenes Buch!