Rezension

Gutes Buch über Krebs

Heute bin ich blond - Sophie van der Stap

Heute bin ich blond
von Sophie van der Stap

Bewertet mit 3.5 Sternen

Krebs. Mit dieser Krankheit verbinden die Menschen heutzutage immer noch sofortigen Tod, obwohl die Medizin in diesem Bereich weitfortgeschritten ist. Krebs = Tod. Genau dieser Gedanke ist auch in meinem Kopf festgesetzt, auch wenn ich selbst in der Familie Beispiele habe, die mich eines Besseren belehren sollten. Am Ende hat es aber Sophie van der Stap es geschafft diesen Gedanken ein wenig zu lösen.

Sophies Mutter hat selbst erst erfolgreichen ihren Brustkrebs besiegt als bei ihr selbst Krebs diagnosezitiert wird. Von einem Tag auf den anderen werden die Zukunftsträume der 21-jährigen(!) Studentin von der Krankheit zermalmt. Stattdessen dreht sich alles um Chemo, Bestrahlung, lange und häufige Krankenhausaufenthalte, Angst vor dem Tod, Angst vor Einsamkeit, aber auch um den Kampf sich auch ohne eigene Haare, weiblich zu fühlen, immer optimistisch zu bleiben und nicht aufzugeben. Und um 9 Perücken, die Sophie in Oema, Pam, Blondie, Daisy, Platina, Stella Bebé, Lydia und Sue verwandelt.

Vor dem Lesen habe ich mir die Protagonistin, also die Autorin Sophie van der Stap, als eine junge Frau vorgestellt, die an eine Genesung nicht glaubt, aber im Verlaufe des Buches Mut schöpft und mit vollem Einsatz dem Krebs den Kampf ansagt. Ehrlich gesagt, stelle ich mir alle Menschen so vor, die mit der Krankheit konfrontiert werden.
Doch Sophie ist von Anfang an eine Kämpferin und keine Heulsuse, die ihr Schicksal nicht akzeptieren kann. Das spürt der Leser im kompletten Buch. Auch in den Momenten, wenn es Sophie seelisch nicht so gut geht. In diesen Momenten, wenn sie vor dem Schlafen gehen weint, sie sich einsam fühlt und sich für ihre Glatze schämt. Doch sie rappelt sich immer wieder sehr schnell auf.

„Aber der Krebs ist auch mein Freund geworden. Durch den Krebs kann ich intensiv fühlen, intensiv genießen, intensiv erleben, intensiv mit beiden Beinen auf der Erde stehen, intensiv allein sein und intensiv glücklich sein.“ S. 92

An vielen Stellen geht einen Sophies Geschichte sehr nahe. Was ein großes Stück dazu beiträgt, ist der Schreibstil. Es ist als hättest du eine alte Freundin wieder getroffen, in deiner Stadt, zufällig beim Bummeln. Du mochtest Sophie schon immer, deswegen setzt ihr euch spontan in ein Café. Du fragst sie, wie es ihr in den letzten Jahren ergangen ist und Sophie erzählt dir ihre Geschichte. Sie öffnet sich und du wirst in ihre intimsten und qualvollsten Augenblicke eingeweiht.

Durch dieses Buch habe ich mich auch zum ersten Mal richtig mit dieser Krankheit beschäftigt. Vieles wusste ich nur sehr vage, traute mich weder jemanden danach auszufragen, noch die Einträge im Internet zu entschlüsseln.
Hier ist man mitten dabei und bekommt das Gefühl vermittelt: nur wenn man Krebs hat, ist nichts vorbei. Das Leben geht weiter. Sophie flirtet trotzdem noch mit Männern, fährt Fahrrad oder geht in Clubs tanzen.

Was Euch auch immer wieder begegnet sind Sophies Familie und Freunde, die einen der wichtigsten Parts einnehmen. Sie sind immer da. Es vergeht kein Tag, an dem Sophie keinen Besuch bekommt. Damit ist nicht gemeint, das sie hunderte von Freunden hat, sondern richtige Freunde fürs Leben. Ob es ein kurzer Plausch ist, Blumen oder kleine Geschenke wie Bücher oder Zeitschriften – in diesen Momenten wird ihr klar, wie sehr sie diese Menschen liebt und wie sehr sie in dieser Zeit, zwischen Krankenbett und Bestrahlung, die Liebe ihrer Mitmenschen braucht.

„Aber schwieriger, als für sich selbst zu leben, erscheint es mir, so sehr für andere zu leben. Meine Familie lebt jetzt für mich, das zeigt sie mir immer wieder.“ S. 111

Ein ebenso wichtiges Thema sind die Perücken. Auch wenn diese zunächst nur dafür da sind, um ihre Glatze zu verbergen, fühlt Sophie sich immer wohler und fängt an in verschiedene Rollen zu schlüpfen. In die Rollen die sie gerade braucht, um der Situation gewachsen zu sein. Die bekommt Ihr auch zu Gesicht. Am Anfang des Buches ist die Autorin nämlich mit ihren Perücken abgebildet.

Ein wirkliches gutes Buch, dessen Augenmerk nicht auf der Krankheit liegt, sondern auf den Umgang damit, wenn man betroffen ist. So wird Euch das Thema Krebs nähergebracht ohne Euch mit Fachbegriffen und seiteweisen Erklärungen zu erschlagen.