Rezension

Heitere Gemeindekritik

Anna-Maria und die anderen 99 Schafe - Daniel Deutsch

Anna-Maria und die anderen 99 Schafe
von Daniel Deutsch

Das Buch beginnt mit einer Szene, die für sich spricht. Eine hübsche Nachbarin braucht Hilfe, und Jan hilft natürlich gerne. Aber ihre Einladung zum Frühstück, die als Dankeschön gemeint ist, muss er ausschlagen. Zögernd gibt er zu, dass er stattdessen in den Gottesdienst gehen wird. Obwohl die Nachbarin ihn gerne begleiten würde, wimmelt er ab, denn er schämt sich sehr für seine Gemeinde.

Wegen eines Todesfalles kommt eine ehemalige Schulfreundin von Jan zurück an diesen Ort. Sie kann es kaum fassen, dass vieles im Ort und auch in der Gemeinde unverändert geblieben ist. Anna-Lena, eine unangepasste Frau, die schon immer lieber ihren eigenen Weg gegangen ist, öffnet ihrem Schulfreund Jan die Augen dafür, dass seine Gemeinde nicht so unattraktiv bleiben muss. Sie schließt sich seinem Hauskreis an, und gemeinsam werden Pläne zur Veränderung entworfen. Dabei bleibt der Widerstand von einigen anderen Gemeindemitgliedern nicht aus, andere jedoch blühen auf.

Das Ganze spielt vor 30 Jahren, und manche Leser werden sicher die Probleme ihrer ehemaligen oder jetzigen Gemeinden in den Beschreibungen wiederfinden. Das unterhaltsam geschriebene Buch regt zum Nachdenken an und wirft viele Fragen auf. Wofür steht Gemeinde eigentlich? Was ist ihre Aufgabe? Wer darf über die Richtung einer Gemeinde bestimmen? Wie sieht es mit Führungsstrukturen in der Gemeinde und mit Machtmissbrauch aus? Viele Situationen werden mit Humor beschrieben, wobei mir persönlich manches etwas überzogen oder auch zu abschätzig vorkommt.

Ein Vers über Liebe aus dem ersten Korintherbrief zieht sich durch die Gliederung des Buchs, und damit wird dem Leser vor Augen geführt, dass es gerade darin oft in Gemeinden mangelt. Eine ältere Person lebt dies vorbildhaft, aber ich hätte mir mehr positive Impulse in diese Richtung gewünscht.

Fazit: Ein Buch zum Schmunzeln über eine Gemeinde, die viel zu sehr an ihre Traditionen hängt, und gleichzeitig ein Buch zum Nachdenken über den Weg zur Veränderung und Erneuerung, damit Gemeinden auch für Außenstehende attraktiv sind.